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Du stirbst zuerst

Du stirbst zuerst

Titel: Du stirbst zuerst
Autoren: Dan Wells
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Pistole, um … um weitere Unannehmlichkeiten zu vermeiden.«
    Lucy stellt sich vor mich und versperrt Vanek den Weg. »Vor ihr kann ich dich nicht schützen«, erklärt sie und nickt in Ellies Richtung. »Aber wenn Vanek angreift, muss er zuerst an mir vorbei.«
    »Ich will niemanden angreifen außer Eliska«, widerspricht Vanek. »Ich bin den weiten Weg nicht gegangen, um mich von ihr töten zu lassen.«
    »Greifen Sie nicht an!«, rufe ich. »Sonst schießt sie und tötet uns beide.«
    »Ich verstehe, dass er wütend ist.« Ellie lehnt sich müde gegen den Türrahmen. »Er war nie so selbstlos wie wir anderen. Deshalb bestand er auch darauf, einen der jüngeren, neueren Körper zu übernehmen.« Sie lächelt grausam. »Nun sehen wir, wohin uns die Gier führt, nicht wahr?«
    »Überlegen Sie es sich gut.« Ich suche ihren Blick. »Sie erwägen, eine ganze Zivilisation zu vernichten. Können wir denn keinen Kompromiss finden?«
    »Gehen Menschen Kompromisse mit ihrem Vieh ein?«, fragt Ellie. »Schließen sie Abkommen mit Insekten? Ihr Menschen seid für uns nichts als Quälgeister – eine Landplage, die wir ausmerzen oder nutzen und mit den gleichen Augen betrachten wie ihr einen Goldfisch im Glas.«
    »Wir können uns doch verständigen!«, rufe ich. »Haben Sie eine Vorstellung, wie gewaltig das ist? Hier, direkt vor unserer Haustür intelligentes Leben zu finden! Wir könnten Ideen diskutieren, kulturelle Erfahrungen austauschen und uns gegenseitig erforschen.«
    »Wir erforschen eure Kultur, seit eure invasive Technologie uns gezwungen hat, die Aufmerksamkeit darauf zu richten, und haben nichts Wertvolles gefunden.« Sie blickt zur Decke hinauf, als suche sie etwas am Himmel. »Wir haben die Sterne singen hören, Michael. Bevor ihr die Welt mit elektrischem Geplapper überschwemmt habt, konnten wir die Regungen der Erde in uns selbst ebenso spüren wie den Lauf von Sonne und Mond bei ihrem Tanz am Himmel. Was habt ihr im Vergleich dazu schon anzubieten?«
    »Wir haben …« Ich unterbreche mich. Ein Leben lang habe ich unter Angst, Hass und Vernachlässigung ge­litten. In der Schule hat man mich gehänselt, hilflos bin ich von Job zu Job getaumelt, der eigene Vater hat mich geschlagen. Zwanzig Jahre habe ich hinter mich gebracht, ohne jemals Frieden und Glück zu erleben. Nun suche ich nach einer Möglichkeit, die Menschheit zu verteidigen, und finde sie nicht.
    »Wir haben die Liebe«, sagt Lucy.
    Ich sehe sie an, wie sie in zerrissener, blutiger Kleidung vor mir steht, winzig klein neben dem mächtigen Vanek. Sie ist nichts, ein zerbrechliches Bild aus einer kranken Phantasie, und doch ist sie bereit, alles zu opfern, um mich zu retten. Mich. Das Kind, das allen gleichgültig war, und den Mann, den alle vergessen wollten. Sie liebt mich.
    Fest und voller Entschlossenheit spricht sie weiter. »Wisst ihr überhaupt, was Liebe ist? Habt ihr eine Vorstellung, wie die Liebe euch verändert – wie sie euch öffnet, wie sie euch niederdrückt und die Seele läutert und euch dennoch glücklicher macht, als ihr es je zuvor gewesen seid?« Stolz spricht sie, und ich erkenne, dass ich gleichzeitig mit ihr spreche und die Worte wiederhole. »Ihr wart verheiratet, Ellie – Ambrose und Eliska Vanek. Hat euch das nichts bedeutet? Auch wenn euer Volk keine Emotionen kennt – habt ihr nicht doch etwas von euren Wirten geschenkt bekommen? Gefühle, Hoffnungen und Träume?«
    »Nichts«, knurrt Ellie.
    »Er hat etwas für Sie empfunden.« Ich gehe einen Schritt auf sie zu. »Ich habe Vaneks Gedanken im Kopf wahrgenommen, unsere Erinnerungen haben sich vermischt, und eine davon war die Liebe zu Ihnen.« Ich blicke zu Lucy hinüber, die sich zu mir umwendet. Ihre braunen Augen schwimmen in Tränen. »Warum sonst trägt meine ideale Freundin, die vollkommenste Frau, die mein Bewusstsein erschaffen konnte, Ihr Gesicht?«
    Ellie lässt den Arm sinken. Vanek blickt sie an. »Da war etwas«, sagt sie. »Vor langer Zeit. Es war nicht Liebe, sondern Verlust. Eine Trauer, die ich nicht verstand.«
    »Verlust?«
    »Als Ambrose ging – als er mit dem Kind verschmolz und sein alter Wirt starb –, empfand ich Kummer.« Sie schüttelt den Kopf. »Ich spürte die Schwäche meines Wirts«, zischt sie, hebt die Waffe und zielt mir erneut auf die Brust. »So etwas möchte ich nicht noch einmal erleben. Seitdem habe ich alle Kinder dazu erzogen, Gefühle zu unterdrücken.«
    »Das können Sie nicht«, widerspreche ich, weil mir Arlene
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