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Du Durchschaust Mich Nicht

Du Durchschaust Mich Nicht

Titel: Du Durchschaust Mich Nicht
Autoren: Farid
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erkennen schien. Gleich danach war er allerdings von Sicherheitsleuten umgeben.
    Seit dieser Zeit übte ich selbst wie besessen Zauberkunststücke ein, viele hatte ich aus dem Fernsehen auf Video aufgenommen. Mühsam versuchte ich herauszufinden, wie die Tricks funktionierten. Wenn ich einen nachstellen konnte, führte ich die Nummer meinen Eltern oder dem Rest meiner zahlreichen Verwandtschaft vor. Natürlich funktionierte nicht immer alles, aber nur so konnte ich herausfinden, was ich anders machen oder worauf ich beim nächsten Mal achten musste. Mit der Zeit wurde ich geschickter und sicherer, wagte mich an schwierigere Nummern heran und erprobte mein Können nun auch bei größeren Festen im Familien- oder Bekanntenkreis.
    Einige Zauberutensilien wie Tücher, Schnüre, mehrere Kartenspiele, Zauberbecher usw. gehörten inzwischen zu meiner Grundausstattung, für die ich zu einem Geburtstag auch eine Tasche geschenkt bekam. Wie gern hätte ich die Schultasche morgens stehengelassen und meine Zaubertasche mitgenommen, um meinen Freunden in den Pausen ein paar größere Kunststücke vorzuführen! Ich besuchte mittlerweile die Gesamtschule, und wenn ich mich in den Schulstunden auch meist zurückhalten konnte, auf dem Pausenhof musste ich immer irgendeinen Trick üben oder führte irgendjemandem etwas Neues vor. Ohne Kartenspiel verlasse ich übrigens bis heute nicht das Haus. Nur dass damals kaum eine freie Minute verging, in der ich nicht irgendeinen Trick oder Kunstgriff übte oder Fingerübungen machte. Selbst im Schulbus, wenn die anderen ihre Gameboys auspackten oder Musik hörten, blieb ich bei meiner Leidenschaft, und das muss es schon damals gewesen sein, eine Leidenschaft, also viel mehr als nur ein Hobby oder ein Zeitvertreib.
    Eines Tages verkündeten meine Eltern, dass wir nach Wien ziehen würden. Eine elfstündige Zugfahrt stand bevor, und ich hatte auch schon eine Idee, wie ich mir diese lange Zeit vertreiben konnte. Ich wünschte mir einen neuen Zauberkasten. Heute muss ich schmunzeln, wenn ich daran denke: Die ungenutzte Fahrtzeit war meine einzige Sorge, den Orts- und Schulwechsel nahm ich gelassen.
    Der Grund für unseren Umzug nach Wien war, dass sich meine Eltern eine neue Existenz aufbauen wollten. Sie eröffneten im 1 . Bezirk, direkt am Stephansdom, ein riesiges Fachgeschäft für edle Perserteppiche, was damals etwas Besonderes war. Zu meiner Freude hatten meine Eltern im Geschäft einige Angestellte, denen ich fortan sämtliche Zaubertricks vorführte.
    Einer der Mitarbeiter war Reza. Immer, wenn ich meinen Vater im Geschäft besuchte, zauberte ich für Reza, und welch ein Glück: Er liebte es! »Wie machst du das nur, Farid?«, rief er meistens aufgeregt. Und wenn ein Trick mal nicht funktionierte, sagte er: »Den musst du mir aber noch mal zeigen. Der scheint richtig schwer zu sein.«
    Reza war der beste Lehrer, den man sich denken kann, obwohl er selbst gar nicht zaubern konnte. Das machte nichts, denn durch sein Interesse und seine Begeisterung motivierte er mich, dranzubleiben. Manchmal gab er mir sogar etwas Geld, damit ich neue Requisiten kaufen konnte.
    Er war es auch, der mir den Laden für Zauberutensilien zeigte. Ich wusste nicht einmal, dass es solche Läden gab, deshalb glaubte ich ihm nicht, als er mir davon erzählte: »Reza! Es gibt ein Geschäft, in dem Zaubertricks verkauft werden? So wie ein Supermarkt Lebensmittel verkauft? Niemals! Dann würde doch keiner Zauberkästen kaufen!«
    Ich wollte ihn ein wenig provozieren, und Reza wäre tatsächlich am liebsten auf der Stelle mit mir in den Zauberladen gegangen. Aber er konnte nicht weg: »Farid, morgen in der Mittagspause gehen wir gemeinsam in diesen Zaubersupermarkt«, versprach er. Wenn ich daran denke, klingt mir noch sein persisch-österreichischer Akzent in den Ohren.
    Als wir am nächsten Tag vor besagtem Geschäft standen, rief er lachend: »Ach, was haben wir denn hier? Das sieht ja aus wie ein Zaubersupermarkt!«
    Ich sah mich staunend um, vor allem von der geheimnisvollen Auslage in einer großen gläsernen Vitrine konnte ich gar nicht genug bekommen. Ich ließ mir von der freundlichen älteren Verkäuferin, einer typischen Wiener Dame, alles Mögliche zeigen. Und zum Schluss sagte Reza, dass ich mir etwas aussuchen dürfe. Ich nahm Spielkarten, obwohl ich die schon zur Genüge zu Hause hatte. Weil ich von all den Tricks und Requisiten, die es hier gab, so überwältigt war, konnte ich mich spontan gar nicht für
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