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Drunter und Drüber

Titel: Drunter und Drüber
Autoren: Susan Andersen
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hinabstieg, löste er seinen Blick von ihren wiegenden Hüften und konzentrierte sich stattdessen auf den dicken, seidigbraun schimmernden Zopf, der ihr im Rücken hing. »Ich hätte angenommen, dass Sie mich einfach in irgendeins der Zimmer stecken.« Am besten gleich im Keller.
    Sie lugte über ihre Schulter. »Außer in der Skisaison haben wir im Sommer den meisten Betrieb. Wir sind zurzeit so gut wie ausgebucht, und deshalb müssten Sie, wenn Sie ein Zimmer wollten, alle paar Tage umziehen. Aber Sie sollen es hier ja schließlich bequem haben.«
    Ja, sicher. Er traute keinem Menschen, der es gut mit ihm zu meinen schien. Dafür hatte Drus feine, aufrechte Großtante gesorgt.
    Nicht, dass er unbedingt glücklich gewesen wäre, bevor sein Leben im Alter von vierzehn von Edwina Lawrence völlig auf den Kopf gestellt worden war. Zahlreiche Pflegefamilien abzuklappern war sicher für kein Kind das Ideale, aber zumindest hatte sein Leben ein bestimmtes Verlaufsmuster gehabt, und er hatte die Regeln genauestens gekannt. Regel Nummer eins hatte gelautet: Mach es dir niemals zu bequem. Da er früher oder später – für gewöhnlich eher früher – garantiert auf der Straße gelandet war.
    Das oberste Überlebensgebot war gewesen, sich niemals große Hoffnungen zu machen, doch Edwina war anders gewesen. Sie hatte ihn eingewickelt und schließlich hatte er einige der schmerzlich erlernten Lektionen tatsächlich vergessen. Sie hatte ihn sich ausgesucht – er war ihr von keinem überlasteten Sozialarbeiter aufgezwungen worden. Und die Tatsache, dass sie anders als alle ihm bekannten Menschen gewesen war, hatte ihn verführt.
    Kennen gelernt hatten sie einander an dem Tag, an dem er versucht hatte, ihr den Geldbeutel zu klauen. Eine ziemlich blöde Idee, aber irgendwie hatte das Gerede seines Kumpels Butch vom leichten, schnellen Geld ihn am Schluss verführt.
    Die zerbrechlich aussehende alte Dame jedoch hatte ihn gelehrt, dass sich Verbrechen nicht lohnte. Nicht nur, dass sie sich an ihrer Tasche festgeklammert hatte, hatte sie sich obendrein auch noch in seinem Bein verkrallt. Die einzige Möglichkeit, sich von ihr zu befreien, hätte darin bestanden, sie vielleicht ernsthaft zu verletzen. Als Butch davongelaufen war und ihn seinem Schicksal überlassen hatte, hatte J.D. im Geiste bereits das Knallen der Gittertüren in der Jugendstrafanstalt gehört.
    Statt ihn jedoch bei den Bullen anzuzeigen wie jeder normal denkende Mensch, hatte sie ihn mitgenommen, hatte offiziell die Pflegschaft für ihn beantragt und ihm gezeigt, was es hieß, wenn man irgendwo daheim war.
    Bereits am allerersten Tag hatte er sich unsterblich in sie verliebt.
    Sie hatte ihn gelehrt, dass es eine völlig andere Welt gab als die der schmutzigen, dunklen Gassen in der City, in denen er bis dahin aufgewachsen war. Doch was sie mit der einen Hand geboten hatte, hatte sie ihm mit der anderen genommen, und zwar genau in dem Moment, als er seinen Argwohn endlich aufgegeben hatte, angefangen hatte zu glauben, dass er des sauberen neuen Lebens, das Edwina ihm bot, tatsächlich würdig war. Und während er sie anfangs beinahe angebetet hatte, hatte er sie am Ende regelrecht gehasst.
    Scheiße. Beinahe wäre J.D. Dru in die Fersen getreten, als er die Vergangenheit dorthin zurückblinzelte, wohin sie auch gehörte – in die Vergangenheit. Himmel, das Ganze war zwanzig Jahre her. Besser, er käme endlich mal darüber hinweg.
    Dru öffnete die Tür am Fuß der Treppe und sofort wurden sie beide in den Duft der Büsche und Bäume eingehüllt.
    »Sie haben von einer Skisaison gesprochen«, sagte er zu Dru. »Ich sehe nirgends irgendwelche Lifts.« Obgleich der See in den Bergen lag, hätte er sich ein Skigebiet doch anders vorgestellt.
    Dru spähte über ihre Schulter und ihre blauen Augen blitzten. »Das liegt daran, dass man bei uns nur Langlauf machen kann. Sehen Sie den Pfad da drüben?« Sie wies in Richtung eines Wegs, der an der Seite des Berges im Gehölz verschwand. »Wir nennen ihn Treetop, und von dort aus sind wir mit einem über hundert Kilometer langen Wegenetz verbunden, auf dem man im Sommer wandern oder biken und im Winter eben Skilanglauf machen kann.«
    Sie berührte ihn beiläufig am Arm, was in ihm das Gefühl auslöste, als hätte sie ihm einen elektrischen Schlag verpasst. Mit ausdrucksloser Miene trat er einen Schritt zur Seite und sah sie fragend an.
    »Kommen Sie.« Sie hatte eindeutig nichts gemerkt. »Zu Ihrer Hütte geht es hier
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