Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Drunter und Drüber

Titel: Drunter und Drüber
Autoren: Susan Andersen
Vom Netzwerk:
hatte bis zum Ende einen rasiermesserscharfen Verstand«, erklärte Ben.
    »Dann haben wir sicher keine andere Wahl als ihren Wunsch zu respektieren.«
    »Darüber denke ich genauso«, meinte auch Sophie. »Und wenn wir das schon tun, machen wir es besser richtig und bereiten J.D. einen möglichst herzlichen Empfang.«
    »Allerdings«, fügte Dru trocken hinzu, »habe ich aufgrund dieser zusätzlichen Belastung sicher eine entsprechende Gehaltserhöhung verdient.«
    Ben hob den Kopf von seinen Notizen und sah sie über den Rand von seiner Lesebrille hinweg an. »Darüber müssen wir ganz bestimmt sprechen. Aber erst bei der Versammlung nächsten Monat. Diesen Monat haben wir bereits ein anderes Problem. Wir müssen dringend verschiedene Reparaturen durchführen lassen, nur ist es leider so, dass es keine fähigen Handwerker mehr in unserer Gegend gibt.«

1
    A ls J.D. Carver einen Tag früher als geplant in Star Lake, Washington, ankam, war der Tank seines uralten Ford Mustang laut Anzeige leer. Aber das war er immer – die Nadel klemmte, seit der Wagen 1993 von ihm erstanden worden war. Der Kofferraum war mit ein paar seiner Lieblingselektrohandwerksgeräte, einer Werkzeugkiste und einem gut bestückten Zimmermannsgürtel beladen, auf dem Rücksitz lagen zwei Tischsägen, in seiner Hosentasche steckte eine antike goldene Uhr, und eine alte Leinentasche enthielt alles, was er sonst noch auf der Welt besaß. Außerdem war er befrachtet mit einem Sammelsurium unguter Gefühle, das ihm wie ein Felsbrocken im Magen lag.
    Sein Leben in Seattle war vollkommen verpfuscht, und es half ihm nichts zu wissen, dass die Schuld daran allein er selber trug. An seinen Kumpel Butch, an Bob Lankovich, den Mann, in dessen Unternehmen er vom kleinen Auszubildenden zum Vorarbeiter aufgestiegen war, und der inzwischen im Knast saß, oder dessen schwachsinnigem Sohn Robbie wollte er momentan nicht einmal denken.
    Er hatte von dem ganzen Durcheinander – von seinem Pariah-Dasein und den ständigen Drohungen, die gegen ihn ausgestoßen wurden – schlicht die Nase voll. Himmel, er war ein Ausgestoßener in Rat City. Wie konnte jemand etwas tun, das derart schlimm war, dass er selbst in einer Gegend mit einem solchen Namen ein Aussätziger war? Das unerwartete Erbe von Edwina Lawrence kam genau zur rechten Zeit. Der perfekte Zeitpunkt, um einer Stadt den Rücken zuzukehren, in der ihn nichts mehr hielt.
    Er lachte verbittert auf. Natürlich war auch in seiner Beziehung zu Edwina mehr als ein Wurm drin gewesen. Verdammt, vielleicht sollte er anfangen zu angeln. Köder besaß er in Gestalt der Würmer, die in seinen Beziehungen zu eigentlich allen Menschen steckten, schließlich mehr als genug.
    J.D. rieb sich den steifen Nacken. Dies war so ziemlich seine letzte Chance. Seine Einzimmerwohnung hatte er gekündigt, die Werkzeuge, die nicht in den Wagen gepasst hatten, hatte er verhökert und sein Bankkonto geleert. Es war ihm also nichts geblieben in der Stadt, in der er aufgewachsen war, und falls die Sache schief ging, wüsste er ganz einfach nicht wohin. Also würde er dafür sorgen, dass die Sache klappte, egal, was geschah.
    Er parkte seinen Wagen vor dem Sandstein-Holz-Gebäude, dessen hälftiger Eigentümer er urplötzlich war, blieb ein paar Minuten sitzen und atmete den würzigen Duft des klaren Seewassers und der Nadelbäume ein. Dann griff er in die Tasche seiner Jeans und strich mit einem Finger über die goldene Uhr von Edwinas Vater, die ihm zusammen mit dem Anteil an dem Hotel von ihr hinterlassen worden war.
    Obwohl sie ihn einmal des Diebstahls ebendieser Uhr bezichtigt hatte.
    Dieser uralte Verrat machte ihm stärker zu schaffen als die Drohungen, die Robbie gegen ihn ausstieß, oder die Enttäuschung, weil er – wie nicht anders zu erwarten – von Butch zur Begleichung einer alten Schuld aufgefordert worden war.
    Er schnaubte leise. Die Feststellung, dieser Verrat mache ihm zu schaffen, war eine höfliche Untertreibung.
    Wie immer zogen sich auch jetzt seine Eingeweide bei der Erinnerung an die alte Geschichte elendig zusammen, doch das durfte nicht passieren, und so stieg er aus dem Wagen, schulterte seine Leinentasche und starrte auf die imposante mit Schindeln gedeckte Sandsteinveranda, die entlang der gesamten Vorderfront des Haupthauses verlief.
    War es nicht schon schlimm genug, dass ein in der Kindheit erlittenes Unrecht sein ganzes bisheriges Leben hatte trüben können? Weshalb störte die Erinnerung daran ihn
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher