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Drei Wünsche hast du frei: Roman (German Edition)

Drei Wünsche hast du frei: Roman (German Edition)

Titel: Drei Wünsche hast du frei: Roman (German Edition)
Autoren: Jackson Pearce
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auf einmal hergekommen?
    Die Augen gehören einem Jungen mit goldener Haut, der regungslos dasitzt wie eine Katze, kurz bevor sie eine Maus anspringt. Er starrt mich mit solcher Intensität an, dass ich zu spüren glaube, wie sein Blick sich in meine Haut gräbt. Seine Augen sind tief wie die eines Tieres – sanft wie die eines Hirschs und zugleich wild wie die eines Wolfs. Ich möchte den Blick abwenden, unbedingt, doch ich kann es nicht – es ist, als spannten sich Seile zwischen ihm und mir. Die Haut des Fremden schimmert selbst im fluoreszierenden Licht des Klassenzimmers noch, während Miss Collins’ Stimme im Hintergrund weiterleiert, eintöniger denn je. Am Rand meines Blickfelds beginnt die Welt zu verschwimmen.
    Wer ist er? Ich zwinkere heftig, damit der Rest der Welt wieder klare Umrisse bekommt, aber alles, was ich sehe, sind seine tiefbraunen Augen. Ich ertrinke in ihnen. Hier stimmt etwas nicht. Ich schaudere und zwinge mich dazu, in eine andere Richtung zu sehen. Es tut weh, als hätte er die Finger um meinen Blick gelegt.
    Angestrengt versuche ich mich auf die weiße Tafel vorn an der Wand zu konzentrieren, doch ich spüre seine Augen immer noch. Auf meinen Armen bildet sich eine Gänsehaut. Ich will ihn ignorieren, zugleich wünscht sich ein anderer Teil von mir verzweifelt, wieder zu ihm hinzusehen. Er hat mich angeschaut, mich studiert, so, wie ich alle anderen studiere. Warum? Ich presse die Lippen zusammen und werfe einen vorsichtigen Blick in seine Richtung, wobei mir ein paar Haarsträhnen als Deckung dienen.
    Er ist fort.
    Nicht einfach von seinem Tisch verschwunden, sondern aus dem Klassenzimmer. Niemand hat die Tür geöffnet, trotzdem ist mein Fremder nirgends zu sehen.
    Jetzt habe ich also doch den Verstand verloren, stimmt’s?
    Ich fahre zusammen, als ich die Klingel höre. Die Stunde ist vorbei. Ich falte meine spärlichen Mitschriften zusammen und stopfe sie in die Tasche; dann gehe ich zur Tür. Alle anderen stürzen schon in den Gang hinaus – je schneller man draußen ist, desto mehr Zeit kann man mit Freunden verbringen, bevor die nächste Stunde anfängt. Ich bleibe noch einen Moment, nur für den Fall, dass mein Fremder sich vielleicht hinter einem der Tische versteckt hat. Aber nein – er ist wirklich und wahrhaftig verschwunden. Mit einem Aufatmen schieße ich zur Tür hinaus und den blassblau gestrichenen Gang entlang zum Aufenthaltsraum, wo mein bester Freund Lawrence auf mich wartet. Als ich hereinkomme, ist er gerade damit beschäftigt, die Ärmel seines Designerhemds neu hochzukrempeln.
    »Hey.« Er lächelt mir zu, scheint dann etwas zu merken und mustert mich aufmerksam. »Stimmt irgendwas nicht?«
    Lawrence liest in mir wie in einem offenen Buch – etwas, das er schon immer gekonnt hat und sogar damals noch konnte, als wir vor sieben Monaten gerade Schluss gemacht hatten. Vor sieben Monaten und vier Tagen, um genau zu sein. So lang ist es jetzt her, dass ich zu einem unsichtbaren Mädchen geworden bin. Davor hatte ich mir eingebildet, Teil von etwas Unglaublichem, etwas Außergewöhnlichem zu sein – schließlich waren wir verliebt. Wir waren etwas Besonderes. Ohne ihn allerdings … na ja, ohne ihn gehöre ich eigentlich nirgendwo hin. Ich bin einfach nur eins von den unsichtbaren Mädchen – im Schultreppenhaus, im Kunstsaal, sogar zu Hause.
    Ich schüttele den Kopf. »Alles in Ordnung. Bin bloß müde.« Glaub ich dir nicht, besagt sein Blick, während wir uns auf den Weg in die nächste Stunde machen. Alle paar Sekunden winkt irgendjemand Lawrence zu – seit er sich geoutet hat, ist sein Status steil nach oben geschnellt. Er hatte ursprünglich nur ein, zwei Stufen über meinem gelegen, aber inzwischen gehört Lawrence zur königlichen Familie an meiner Schule. Ich nehme an, jedes Mädchen wünscht sich einen schwulen Freund. Jetzt wird er zu Partys, Treffen und Fernsehabenden eingeladen – all den Dingen, von denen andere Leute dann noch Wochen später erzählen. Ich ignoriere die Winkerei und sehe mich im Gemeinschaftsraum nach jemandem um, den ich studieren kann. Jemandem, der anders ist. Den ich analysieren kann, in Aquarellfarbe auflösen …
    Mein Magen krampft sich zusammen.
    Da ist er wieder – mein Fremder von vorhin. Diesmal lehnt er an der Vitrine mit den Preisen und Pokalen und starrt mich an wie zuvor, einen gereizten Ausdruck im Gesicht. Mit seiner hellen, goldgetönten Haut sticht er aus der Masse von überwiegend schwarzen und
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