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Drei sind einer zuviel

Drei sind einer zuviel

Titel: Drei sind einer zuviel
Autoren: Barbara Noack
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mit
schwarz verräucherten Wänden da, wo der große, alte Herd stand. Unterm Fenster
zog sich eine Eckbank um einen rohen Schragentisch. Der Steinboden war
ausgetreten. Bis auf zwei Stühle und ein Wandbord gab es kein Mobiliar.
Geradezu bizarr wirkte in dieser Umgebung eine teure Stereoanlage.
    »Hallo?« fragte Karlchen durchs Haus. »Sind Sie
nicht da?« Und erschrak sehr, als hinter einem Verschlag Wasser zu plätschern
begann. Die Tür sprang auf, Benedikt stürzte mit platschnassen Kleidern heraus
und tanzte völlig ungehemmt vor Freude: »Sie funktioniert! Sie funktioniert!«
    »He, Rumpelstilzchen«, sprach Karlchen ihn an.
Er zuckte zusammen — eine fremde Stimme in seiner Eremitage! Dann sah er das
Mädchen.
    »Ach,
Sie — das ist aber nett! — Tagchen.« Karlchen zeigte ihm das Winkelrohr. »Ich
hab das in meinem Wagen gefunden. Gehört es zufällig Ihnen?«
    »Lieb, daß Sie deshalb noch mal vorbeigekommen
sind. Mögen Sie einen Tee? Ich mach einen — sofort. Aber erst müssen Sie meine
Dusche bewundern.« Er öffnete den Verschlag weit, Karlchen betrachtete die
Konstruktion.
    »Auf dem Dach ist der Wasserboiler. Hier oben
habe ich einen alten Klokasten montiert, daran zwei Winkelrohre und die Brause.
Wenn ich jetzt an der Strippe vom Klokasten ziehe — « Er zog. Es plätscherte
aus der Brause.
    »Phantastisch«, sagte sie.
    »Leider nur kaltes Wasser. Aber immerhin — «
Benedikt zog noch mehrmals verzückt.
    Karlchen schaute sich inzwischen um. »Schon
verdammt einsam bei Ihnen. Hier sagen sich wohl die Füchse gute Nacht.«
    »Hier
sagen sich die Füchse bereits beim Frühstück gute Nacht«, versicherte er, gab
seine Wasserspiele auf, um Wasser für Tee aufzusetzen.
    »Warum
leben Sie hier?« fragte sie.
    »Ich bin zur Zeit arbeitslos. Unser
Architektenteam ist aufgelöst. Wir kriegten nicht mehr genug Aufträge.«
    »Und warum sind Sie nicht in Berlin geblieben?
Glauben Sie, hier finden Sie eher einen Auftrag?« Er schüttelte den Kopf:
»Nein.«
    »Wenn alle, die arbeitslos sind, in den Wald
gingen — « Sie brach ab. Ihr war nicht ganz klar, was dann wäre.
    »Kommen
Sie, ich zeig Ihnen den Hof.« Karlchen durfte den Stall, die ehemalige
Milchkammer, das Stromaggregat und den Backofen bewundern.
    Auf einer Tür standen mit Kreide die Buchstaben
PC. Das waren die Initialen für Plumpsklosett. Zuletzt öffnete Benedikt das Tor
zur Scheune. Sie war leer bis auf einen Sportwagen.
    »Vermutlich Ihr Traktor«, sagte Karlchen. »Wie
sind Sie eigentlich zu diesem Rittergut gekommen? Familienbesitz?«
    »Ich habe den Hof von einem Berliner Bauherrn
statt Honorar gekriegt. Der wollte hier mal Wochenendbauer spielen, aber dann
kam ihm der Konkurs dazwischen.«
    »Sie haben wohl nur mit Pleiten zu tun?«
    »Na, hören Sie mal — meine Dusche zum Beispiel
ist ein Erfolg.«
    Karlchen sah sich noch einmal rund um und
entschied: »Das kann man hier richtig schön machen...«
    »Schön nicht, aber einigermaßen bewohnbar«,
schwächte Benedikt ab. »Ich versuche jetzt, die Bruchbude herzurichten.«
    »Ganz alleine?«
    »Hab ja genug Zeit«, sagte er. »Und dann hoffe
ich, einen Käufer zu finden.«
    Inzwischen war das Teewasser verkocht. Benedikt
wollte ihr etwas anderes zu trinken anbieten, aber Karlchen entschied nach
einem Blick auf die Uhr: »Ich muß noch mal nach Nebel. Muß doch wissen, was der
Peter Melchior an seinem ersten Schultag durchgemacht hat.«
    »Melchior — das ist Ihr Freund.«
    »Meine andere Zufallsbekanntschaft, mit der ich
aus München hergekommen bin. Sie müssen ihn kennenlernen.«
    »Warum?«
    »Weil er genauso allein hier rumhängt wie Sie. Wenn
Sie beide Ihre Einsamkeit in einen Pott schmeißen würden — « Ihr kam plötzlich
ein Gedanke. »Wieviel Zimmer haben Sie eigentlich?«
    »Die Küche, eine Stube, drei Kammern... Warum
fragen Sie?«
    Karlchen strahlte ihn an. »Mich interessiert
einfach alles.«
     
    Es war Mittag. Aus dem Schulhaus strömten Kinder
— große, kleine, mit Rad, ohne Rad, dazwischen Peter Melchior, tief in
Gedanken. Wie ein Sieger wirkte er nicht gerade, aber auch nicht gebrochen.
Nach der großen Pause hatte er seine zweite Kraftprobe an diesem Vormittag
bestehen müssen, die erste Unterrichtsstunde in der Sechsten, deren Klaßlehrer
er von nun an sein würde. Er hatte an der Tafel gestanden, vor sich das wenig
ermutigende Bild von Schülern, die Schafskopf spielten, sich miteinander
unterhielten und nichts ausließen, um ihm das Leben
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