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Drei sind einer zuviel

Drei sind einer zuviel

Titel: Drei sind einer zuviel
Autoren: Barbara Noack
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dröhnte. Einmal flog ein Luftballon am Fenster vorbei abwärts.
Schlichts Empörung war mit einem großen Schuß Schadenfreude gewürzt: Jaja, die
schlauen Junglehrer, die glauben, sie könnten besser mit der Jugend als die
alten...
     
    »Ruhe!«
brüllte Peter gleich im Dutzend. »Seid doch mal ruhig!« Zu seiner Verwunderung
wurde es nach wenigen Minuten tatsächlich stiller. Übrig blieb ein trockenes
Husten. Er wandte sich um. Es war der Zwicknagel-Alois.
    »Was ist los?« fragte Peter ihn. »Zu viele
aufgeblasen?«
    Alois konnte vor Husten nicht antworten.
    Peter
schaute ihn zum erstenmal prüfend an. Legte ihm die Hand auf die nasse, heiße
Stirn. »Du hast ja Fieber, Loisl.«
    »Kann schon sein, Herr Lehrer.«
    »Hoffentlich brütest du nichts aus.«
    Peter schickte Loisl nach Hause. Der konnte sein
Glück kaum fassen. Die Klasse beneidete ihn, einige quälten sich ein Krächzen
ab, hielten ihre Stirn mit Leidensmiene.
    »Hustet man schön, ich fall nicht darauf rein«,
versicherte Peter.
    Und dann läutete es zur Pause.
    Na gut, die erste Stunde war noch kein Erfolg
gewesen, aber immerhin ein Anfang.
    Nicht unzufrieden mit sich selber, verließ er
das Klassenzimmer. Ein Luftballon, von einem Fußtritt angefeuert, überholte
ihn, Kinder stürmten nach.
     
    Um den großen Tisch des Lehrerzimmers waren
bereits vier Lehr»körper« beim zweiten Frühstück versammelt — Oberlehrer
Schlicht, eine vollschlanke Mittfünfzigerin namens Frau Sommerblühn, Christl Schäfer,
Lehramtsanwärterin wie Peter und genauso brandneu an dieser Schule, sowie ein
Herr Weilhäuser, der so durchschnittlich aussah, daß sich die wenigsten sein
Gesicht merken konnten. Was er sehr übelnahm.
    »Ich dachte, eine Horde Affen turnt auf unsern
Köpfen herum«, sagte Schlicht gerade, als Peter eintrat. »Einfach unmöglich. An
Konzentration gar nicht zu denken — «, und brach ab, als er ihn in der Tür
stehen sah. Seine Kollegen staunten ihn wortlos und ohne Begrüßungslächeln an.
    »Ich bin Peter Melchior. Einige von Ihnen kennen
mich ja noch nicht.« Er wartete auf eine Reaktion. Sie blieb aus.
    Schließlich sagte Frau Sommerblühn: »Aber gehört
haben wir Sie alle schon.«
    »Es war fürchterlich«, sagte Schlicht.
    Peter hielt ihr vorwurfsvolles Abwarten nicht
länger aus. Er ging in die Offensive: »Ja, ich weiß, es war zu laut. Tut mir
leid. Hatte mir gedacht — erste Stunde nach den Ferien machst du es ein bißchen
locker — so zum Anwärmen. Habe ich Luftballons gekauft. Die sollten sie malen,
und wer ’ne Geschichte über sie wußte, sollte sie erzählen. Konnte ich ahnen,
daß eine Keilerei draus wird...«
    Peter stand noch immer da wie ein Angeklagter.
Das paßte ihm nicht. Als er trotzig werden wollte, reichte ihm die Mollige die
Hand. »Ich bin Frau Sommerblühn. Herzlich willkommen, Herr Melchior.«
    Danach begrüßte er Christl Schäfer. Sie hatte
ein herbes, quadratisches, nicht unsympathisches Gesicht. Man sah Peter ihren
unerwartet kräftigen Händedruck an.
    Oberlehrer Schlicht konnte nicht umhin, eine
Begrüßungsermahnung zu halten: »Obgleich Kollegin Sommerblühn Ihre Idee mit den
Luftballons zu schätzen wußte, möchte ich Sie als ältester und langjähriger
Lehrkörper hier an der Schule darauf hinweisen, daß bei uns noch immer eine
gewisse Zucht und Ordnung vorrangig geschätzt wird. Das Kreative, wie Sie es
heutzutage zu nennen pflegen, ist bei uns nur erwünscht, sofern es nicht zum
Chaos führt.«
    »Es war kein Chaos«, verteidigte sich Peter, »es
war nur laut. Ich habe ja schon gesagt, es tut mir leid.«
    Frau Sommerblühn machte eine beschwichtigende
Geste: Nehmen Sie es nicht so ernst!
     
    Nachdem Karlchen dem Hauswart Gumpizek die
Schultüte in die Hand gedrückt hatte, fuhr sie zum Schmalzlerhof, auf dem
Benedikt Kreuzer hauste. Sein Anblick war von freudloser Romantik — romantisch
für denjenigen, der nicht darin wohnen mußte. Für Benedikt überwog die
Freudlosigkeit.
    Der Hof bestand aus einem einstöckigen Wohnhaus
mit tief heruntergezogenem, notdürftig geflicktem Dach, angebautem Stall, einer
Scheune und einem Hühnerstall. Türen standen offen in windschiefen Stöcken —
alles sah so verlassen aus, als ob seine Besitzer die Einsamkeit und Armut
nicht länger ertragen hätten und vor kurzem davongegangen wären, ohne
abzuschließen. Karlchen holte ein Winkelrohr aus dem Kombi und ging damit auf
das Haus zu. Sie betrat über einen engen Flur einen niederen, großen Raum
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