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Drei sind einer zuviel

Drei sind einer zuviel

Titel: Drei sind einer zuviel
Autoren: Barbara Noack
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»Welcher?«
    »Na der, mit dem Sie aus dem Wirtshaus abgehauen
sind!«
    »Ach, haben Sie das gesehen? Warum haben Sie
nicht gerufen?« wunderte sie sich. »Ich möchte Sie gern mit ihm
zusammenbringen, damit Sie beide nicht so allein hier sind.«
    Das Geräusch eines gemächlich fegenden Besens
kam immer näher, wirbelte inzwischen die Bonbonpapiere zu ihren Füßen auf. Fuhr
um ihre Beine. Der Besen gehörte einem kleinen Mann mit Schiebermütze. Nicht
nur sein Besen, auch sein breites, gutmütiges Grinsen begann sie zu irritieren,
wenn sie seinem Blick begegneten. »Komisch, daß noch keiner da ist«, wunderte
sich Karlchen, das stumme Schulhaus betrachtend. »Wahrscheinlich sind Sie viel
zu früh dran...«
    »Zu frieh fir Schul, aba zu spät fir Kirche.
Heite is erste Schultag, Herr Lehrer.« Er stellte den Besen ab und gab Peter
die Hand. »Gumpizek. Schul-hauswart. Kennen S’ aba auch Gumpi sagen wie alle.«
    »Melchior.« Peter schüttelte Gumpis Hand, und
dann dämmerte es ihm: »Was haben Sie gesagt? Die sind schon alle in der Kirche?
Ja, was ist denn mit meiner Uhr —? Was mach ich denn jetzt?« Gumpi legte ihm
beruhigend die Hand auf den Arm. »Wenn S’ tichtig rennen, Herr Lehrer, kriegen
S’ noch Segen mit.«
    Peter rannte los. Nach fünf Schritten stoppte er
und rief zurück: »Wo beten die denn?«
    »Wir in die unsre und die Evangelische in Kirche
ihriges. Wo missen Herr Lehrer?«
    »Was ist näher?«
    »Wir — am Markt.«
    »Tschau, Karlchen!« rief Peter, schon weit
entfernt. Karlchen ging zu ihrem Kombi und holte eine große, bunte Schultüte,
die sie dem staunenden Hauswart in den Arm drückte.
    »Für Herrn Melchior. Zu seinem ersten Schultag.
Aber nicht schmeißen! Bitte.«
    Gumpi stand da mit Besen und Tüte. »Die mecht
Herrn Lehrer wohl sehr genieren«, grinste er, als sie in den Wagen stieg und
weiterfuhr.
     
    Rektor Nachtmann trat mit Peter im Gefolge in
eine Klasse voll tobender Siebenjähriger. Im Nu war es still. Peter musterte
die spannungsgeladenen grinsenden Kindergesichter, während Nachtmann ihn
vorstellte.
    »Das ist Herr Melchior. Er gibt euch
vertretungsweise Unterricht, weil Frau Huber noch krank ist. Benehmt euch
anständig! — Bitte, Herr Kollege.« Kaum hatte der Rektor die Klasse verlassen,
gingen sie in die vollen. Kleine Biester mit Schielblick auf den Neuen: Naa—?
Wieviel läßt er sich gefallen? Wie weit können wir gehen?
    Ihr Randalieren übertönte jeden Versuch einer
Konversation in normaler Stimmlage.
    »Na schön, dann nicht«, sagte Peter, packte die
Tüte mit den Luftballons aus und begann, den ersten aufzublasen.
    Das fanden sie saukomisch — ein pustender
Lehrer. Als er aber den ersten prallen zudrehte und beiläufig mitteilte, daß er
genügend Ballons für alle Kinder hätte, war der Krach immerhin so weit
abgeflaut, daß die zuvorderst Sitzenden seine Worte verstehen konnten.
    »Ich hab mir gedacht, wir blasen sie erst mal
auf und malen sie, und wer ’ne Geschichte über einen Luftballon weiß, erzählt
sie«, schlug Peter vor. Zuerst kamen drei, dann immer mehr, zuletzt das
Mädchen, das sie alle davon hatte abhalten wollen, nach den Ballons des Lehrers
zu grapschen, denn »das will er ja bloß, damit möcht er uns einfangen«.
    Wenn Peter gehofft hatte, daß nun endlich Ruhe
einkehren würde, hatte er sich geirrt. Jetzt begann der Kampf um die Ballons:
Leni hat einen roten, ich will auch einen roten, Toni hat einen mit einer Nase,
ich will auch einen mit Nase, ich mag keinen gelben — meiner läßt sich nicht
aufblasen — meiner auch nicht...
    »Wer hilft beim Aufpusten?« brüllte Peter
dagegen an.
    Es meldete sich ein gutmütiges Trumm von einem
Knaben, so einer, dem man von klein auf eingetrichtert hatte: Iß, damit du groß
und stark wirst. Nun war er breit und fett. »Ich, Herr Lehrer, ich kann das
gut. Ich bin ja auch schon acht.« Zwicknagel-Alois hieß er und brachte zuerst
die Ballons der Mädchen auf eine bestimmte Größe, von der ab sie alleine
weiterpusten konnten. Manche spielten Fußball mit ihnen, bis es knallte. Ein
Knabe ging herum und stach — pfft! — in fremde Ballons. Das war der Auftakt zu
einer Massenkeilerei, bei der die Mädchen gleichwertig mitmischten. Peter ging
tatkräftig dazwischen. Leider fehlten ihm acht Paar zusätzliche Arme, um die
vielen Kampfhähne zu trennen.
     
    In der darunterliegenden Klasse gab Oberlehrer
Schlicht Rechenunterricht. Keiner hörte zu. Alle schauten gebannt nach oben, wo
es rumste und
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