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Dreck

Dreck

Titel: Dreck
Autoren: Garry Disher
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sich die zeitlichen Dimensionen und die Topographie der Stadt und des Baulagers ein. Die Wohnwagen von Leahs Mädchen lagen ein paar hundert Meter von den Schlafräumen der Männer entfernt, zur Stadt hin abgeschirmt durch hohe Gummibäume. Der Grenzzaun verlief parallel zum östlichen Stadtrand, und die Stadt selbst dehnte sich von Nord nach Süd etwa drei Kilometer weit aus. Danach war weit und breit nichts außer ausgetrocknetem Farmland und ein paar Hügeln in der Ferne.
    Eine plötzliche Bewegung auf einem staubigen Grundstück gegenüber ließ ihn aufmerken. Vor einem Monat noch hatte das Grundstück leer gestanden, und wenn das Baulager weiterzog, würde es wieder leer stehen. Aber im Augenblick war es die Filiale eines schäbigen Autohändlers, Trigg Motors mit Sitz in Goyder, der ständig ums Überleben kämpfte. Ein halbes Dutzend gebrauchter Holden setzte Staub an unter den von der Sonne ausgebleichten Plastikfähnchen, die über den Hof gespannt waren. Die Plane eines Anhängers bauschte sich im Wind auf. Heute war Trigg persönlich anwesend, ein kleines Frettchen in der Kluft eines Viehzüchters, bei dem Versuch, ein Verkaufsschild an der Windschutzscheibe eines 1973er Kingswood anzubringen. Am Zahltag, wenn die Südamerikaner Geld in den Taschen hatten, war Trigg immer persönlich anwesend. Offenbar gefiel es ihm, mit ihnen zu feilschen. Wyatt wandte sich wieder ab. Trigg würde den Überfall nächste Woche sicher mitbekommen, aber er war keine Bedrohung.
    Als nächstes wollte sich Wyatt ein genaueres Bild von den Wachleuten machen. Der Fahrer des Van kam gerade aus der Kantine. Wyatt blickte auf einen großen, feisten Mann mit weichen Konturen und tiefen Sorgenfalten, die sich auf seiner niedrigen Stirn zusammenzogen. Das Namensschild auf seiner Uniform vermerkte: ›Venables‹. Wyatt drehte sich um und sah ihm hinterher. Venables grunzte während des Gehens vor sich hin. Er wirkte angespannt und hatte X-Beine, sein breiter Hintern füllte seine Hose voll aus.
    Wyatts Interesse an Venables beschränkte sich lediglich auf dessen Fähigkeit, möglicherweise einen Raubüberfall zu vereiteln. Doch dann tat dieser Mann etwas Unerwartetes: Er ging nicht ins Zahlbüro, sondern zum Eingangstor hinaus, über den Kiesweg rüber zu Triggs Autohof. Dort beriet er sich kurz mit Trigg, dann verließen beide Männer das Grundstück, gingen die Straße entlang und um die Ecke in den Pub.
    Wyatt hörte hinter sich Gepolter. Carlos kam aus der Kantine. Er tippte mit dem Finger auf seine Armbanduhr und rief Wyatt grinsend zu: »Fünfzehn Minuten, okay, Gringo?«
    Wyatt grinste zurück. »Si Senor«, sagte er und ging in die Kantine, um einen Blick auf den anderen Wachmann zu werfen.
     
    Um drei Uhr passierte alles auf einmal.
    Obwohl die Trupps der Pipeline-Verleger und Grabenzieher bereits zurück waren, die Duschen schon heißliefen und die ersten Männer sich vor dem Zahlbüro formierten, war Wyatt noch in der Werkstatt und bastelte an einem Schaltkasten. Immer misstrauisch und auf der Hut, war er der Erste, der die nahende Aufregung bemerkte. Es begann mit den Autos und Transportern ohne jede Aufschrift. Zehn an der Zahl, alle weiß. Etwa die Hälfte fuhr ins Baulager, die anderen bezogen draußen vor dem Tor Stellung.
    Wyatt wusste zwar nicht, was sie suchten, was er aber sehr genau wusste, war, dass sich seine Fingerabdrücke und seine Beschreibung hinterher in irgendeiner Akte befinden würden. Keine Zeit also, hier länger rumzustehen und zu warten, bis er es genauer wusste. Sein Revolver und der größte Teil seines Geldes waren bei Leah, um die paar Dinge im Schließfach neben seiner Koje brauchte er sich keine Sorgen zu machen. Er trat leise einen Schritt zurück, um nicht gesehen zu werden, und sah, wie etwa dreißig Männer aus den Fahrzeugen stürmten. Neben den Uniformierten gab es auch Bullen in Zivilkleidung, aber sein Interesse konzentrierte sich auf die Abzeichen an den Uniformen. Diese Bullen waren nicht von der Landespolizei. Das war Bundespolizei.
    Eine Gruppe Chilenen vor dem Zahlbüro probte plötzlich einen sinnlosen Fluchtversuch. Es kam zu einem Handgemenge, an dem bald alle Polizisten beteiligt waren.
    Illegale, dachte Wyatt. Dieser beschissene Jorge hat Kerle ohne Aufenthaltsgenehmigung eingestellt.
    Er kroch in den Schatten. Auf Triggs Gelände gegenüber standen mehrere Kingswoods. Wyatt konnte Kingswoods mit verbundenen Augen kurzschließen.

Vier
    »Ich schaff das, Ray, das weißt du«,
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