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Dracyr – Das Herz der Schatten

Dracyr – Das Herz der Schatten

Titel: Dracyr – Das Herz der Schatten
Autoren: Susanne Gerdom , Susanne
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hatte, froh über die Wärme, die die Kühe abgaben. Sie hatte mit aufgesprungenen Händen, die vor Kälte steif waren, gemolken und gefüttert, sie hatte Erbsen verlesen und Bohnen geerntet, den Hof und die Stube gefegt und den großen, rußigen Herd gereinigt, Holz und Wasser geschleppt, gewaschen und geplättet, gedroschen und bei der Weizenernte geholfen, den Gemüsegarten für den Winter hergerichtet, Teig geknetet, Obst eingekocht und Wolle gesponnen… es hatte nicht lange gedauert, aus der behüteten jungen Lady Karolyn, frisch von der Klosterschule, in der ihre Tante sie hatte aufziehen lassen, das Landmädchen Kay zu formen. Aber die Veränderung war in jeder Beziehung schmerzhaft gewesen. Immerhin, die Arbeit, die in der Burg auf sie wartete, konnte sie nun nicht mehr schrecken.
    Â» Denkt… denk auch daran, der jungen Lordschaft aus dem Weg zu gehen « , schärfte Warren ihr ein. » Er ist, so sagt man, schlimmer noch als sein Vater. «
    Sie nickte und schauderte unwillkürlich. Der Teufel und sein Sohn, so nannte man die beiden. Lord Harrynkar, der Hexer und Dracyrmeister, und Damian, sein finsterer Spross. O ja, sie kannte die Geschichten, die sich um die beiden rankten.
    Â» Die Dracyr « , sagte sie hastig, um sich auf andere Gedanken zu bringen. » Seit ich hier bin, habe ich noch keinen von ihnen gesehen. Werde ich in der Burg auf diese Ungeheuer treffen? «
    Warren warf ihr erneut einen Blick zu, dieses Mal schwankte er zwischen Belustigung und Entsetzen. Er schien sich daran zu gewöhnen, dass Lady Karolyn Devrillan neben ihm auf dem Bock saß und nach Stall roch, dachte sie und lächelte ihn an.
    Er erwiderte das Lächeln verlegen und ruckte an seiner Kappe. » Die Dracyr werdet Ihr… wirst du noch früh genug zu Gesicht bekommen « , verkündete er düster. » Die Herren sind wohl auf der Jagd, vor vier Tagen ist eine Gruppe von ihnen auf diesen geflügelten Bestien nach Osten aufgebrochen und bisher nicht zurückgekehrt. «
    Kay dachte über seine Worte nach. Auf der Jagd– das klang harmlos genug, aber sie wusste, was es bedeutete. Schreie und brennende Hütten, abgefackelte Kornfelder und rauchende Gerippe, Menschen, die wie Hasen gejagt und mit Netzen gefangen wurden, um dann in Käfigen in die Residenz gebracht zu werden, als wären sie Schlachtvieh oder Handelsware.
    Â» Gut « , sagte sie und ignorierte den Schauder, der über ihren Körper jagte. » Ich werde auf mich aufpassen, Warren. Danke. «
    Sie schwiegen auf dem Rest der holpernden, rumpelnden Wegstrecke. Kay sah sich um, musterte die schmalen, eng stehenden Häuser mit den vorkragenden Obergeschossen, das Fachwerk, die dunklen Schindeln. Sie hatte all das als Kind gekannt, aber mittlerweile fühlte sie sich wie das Mädchen, das sie vorgab zu sein: frisch vom Land, nur an den Bauernhof und die kleinen Weiler gewöhnt, die zwischen Feldern und kleinen Wäldchen verstreut die Landschaft sprenkelten. Diese Ansammlung von Menschen und Tieren, Häusern, Gassen und Sträßchen, all die Karren und Kutschen, das Geschiebe und Gedränge, das Stimmengewirr, der Lärm aus Werkstätten und Häusern, Kindergeschrei und Hundegebell, Kochgerüche und Abwassergestank, die Schreie der Straßenhändler und das laute Klappern, mit dem Wasserverkäufer und Quacksalber sich ihren Weg bahnten… sie hätte sich liebend gerne Nase, Ohren und Augen gleichzeitig zugehalten.
    Endlich ließ der schlimmste Trubel etwas nach, gerade als sie begannen, den Burgberg hinaufzuschleichen.
    Den kurzen, steilen letzten Anstieg zum Haupttor der Burg wollte der alte Karrengaul nicht mehr schaffen, seine Beine zitterten und seine Flanken bebten heftig, während Schaumflocken vor seinem Maul tanzten.
    Â» Lass mich das letzte Stück laufen « , sagte Kay mitleidig und sprang vom Bock, ehe Warren sie daran hindern konnte. » Ich danke dir. Ich weiß, an wen ich mich zu wenden habe. Leb wohl. « Sie hob die Hände, damit Warren ihr das Bündel herunterwerfen konnte, und ging dann mit ausgreifenden Schritten und schwingenden Röcken auf die kleine Tür im Haupttor zu, ohne sich noch einmal umzudrehen.

Kapitel 2
    Die Dunkelheit vor dem Fenster ist kaum düsterer als die Finsternis, die in seiner Seele nistet. Damian lehnt die Stirn an das dicke, blasendurchzogene Glas und gibt vor, nach dem Wetter zu sehen.
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