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Drachengold

Drachengold

Titel: Drachengold
Autoren: Novik Naomi
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So gab er den Versuch einer Unterhaltung schleunigst auf und konzentrierte sich stattdessen wieder auf seinen Kampf mit den Geschirrriemen. Im Augenblick hatte er das Gefühl, er würde mit Freuden die restliche Strecke laufen, notfalls mit bloßen Füßen über Dornen, ehe er sich noch einmal auf dem Drachenrücken in die Lüfte schwingen würde.
    Langsam stieg er auf die ungeschickte Art und Weise von Shen Lis Rücken, die man in China nur bei kleinen Kindern oder Gebrechlichen zu sehen bekam. Schwerfällig kraxelte er hinab und setzte immer nur jeweils eine Hand oder einen Fuß auf. Als er endlich unten angekommen war, ließ er sich erleichtert auf einen breiten, glatten Stein am Rande des Wasserlochs sinken.
    Â»Vielleicht sollte ich ein wenig auf die Jagd gehen, ehe wir uns auf den Weg zum Pavillon machen, dann können Sie sich ein bisschen sammeln und herrichten«, bemerkte Shen Li. Hammond war viel zu erschöpft, um sich die spitze Bemerkung zu Herzen zu nehmen. Das Drachenweibchen schüttelte die riesigen Schwingen und flog davon; beim Start wirbelte es Laub und kleine Steine auf. Der zurückgelassene Hammond blieb reglos sitzen, starrte auf die aufgewühlte, dunkle Wasseroberfläche und malte sich sehnsüchtig aus, wie es wäre, etwas zu trinken. Allerdings würde er sich vermutlich noch eine halbe Stunde gedulden müssen, ehe aus dieser Vorstellung Realität werden konnte. Er hatte das Gefühl, er sollte besser nicht darauf vertrauen, dass ihn seine Beine die wenigen Meter, die ihn vom Wasserloch trennten, schon noch tragen würden.
    Nach und nach bemerkte er, dass sein Drache und er heute einen ausgesprochen heißen Tag erwischt hatten; die Sonne begann, die Eiseskälte, die sich in ihm festgesetzt hatte, zu durchdringen. In Peking war gerade Winter, und es kam ihm vor, als seien sie nicht nur drei Wochen, sondern monatelang in der Luft gewesen oder als sei er durch Magie mit einem Mal in eine andere Jahreszeit versetzt worden. Erschöpft begann er eine Decke abzulegen, dann noch eine, diesmal energischer, denn auf seinem Rücken sammelte sich bereits der Schweiß und lief in Rinnsalen herunter. Schließlich verabschiedete Hammond sich von jedem Rest Würde, zog den Kopf ein, legte die Arme an und schälte sich mit wilden Verrenkungen aus den verbleibenden wärmenden Hüllen. Als er sich auf diese Weise aus seinem Kokon befreit hatte, war ihm alles egal, und er kroch auf allen vieren über den Stein zum Wasserloch, wo er seufzend den Kopf in das kühle Nass steckte und Erleichterung fand.
    Dann richtete er sich wieder auf und ließ sich keuchend auf den Rücken rollen. Er war sich jeder Faser seines Körpers bewusst und unbeschreiblich dankbar für die Wärme und den gestillten Durst. In diesem Augenblick schossen zwei klauenbewehrte, schuppige Gliedmaßen aus dem Buschwerk hinter ihm hervor, packten sich die Decken und zerrten sie außer Sichtweite. Hammond konnte nur einen winzigen Blick auf ein Säbelzahnmaul und glänzende, schwarze Augen werfen, ehe alles wieder verschwunden war. Ungläubig starrte Hammond auf den Fleck, wo eben noch der Wollhaufen gelegen hatte, dann sprang er auf. Seine Beine zitterten und bebten, und er floh in schleppendem, stolperndem Laufschritt. Wann immer ein Zweig oder ein Blatt vom Wind aufgeweht wurde, fuhr er zusammen. Das Entsetzen verlieh ihm ungeahnte Kräfte, ebenso wie das enttäuschte Zischen hinter ihm: Der Fehler war bemerkt worden. Allerdings sah es schlecht für Hammond aus: Er spürte ein seltsames Rütteln unter seinen Füßen, und so blieb er mit einem Ruck stehen. Ein Kopf spähte abwartend aus den Büschen vor ihm, hungrig und bösartig, und es gab nirgendwo einen Ort, an dem Hammond sich hätte verstecken können. Er war völlig auf sich gestellt.
    Ganz augenscheinlich zog die Kreatur es vor, aus dem Hinterhalt heraus zu jagen, aber sie zögerte auch nicht, sich einer Beute zu stellen, wenn diese schutzlos unterwegs war. Erst schob sich ein Bein aus dem Unterholz, dann noch eines, und das ganze Wesen kam langsam und bedächtig auf ihn zu. An den Vorderbeinen konnte Hammond lange, vielgliedrige Klauen erkennen, die mit Schuppen in dunklen Braun- und Grüntönen bedeckt waren, und die Schultern des Biests hingen weit nach vorne. Als Hammond die Flucht wieder aufnehmen wollte, bemerkte er, dass eine ähnliche Kreatur ein
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