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Drachenblut 01 - Die Väter

Drachenblut 01 - Die Väter

Titel: Drachenblut 01 - Die Väter
Autoren: Thomas Herzberg
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antwortete sie sofort: »Siegfried«, denn so hätte sie auch
ihren eigenen Sohn genannt, der, wie alle Kinder auf der Burg, nur als lebloses
Stück Fleisch zur Welt gekommen war.
    Als
kleinen Buben hatte sie ihn häufig in den Arm genommen. Und wenn er nicht
einschlafen konnte, dann sang sie ihm Lieder oder erzählte ihm eine Geschichte.
Wäre da nicht Edward, der leibliche Sohn des Grafen gewesen, dann hätte man
Siegfrieds Kindheit fast als harmonisch bezeichnen können. Edward hatte an
jedem Tag, den Gott werden ließ, nur ein erklärtes Ziel: Siegfried das Leben
schwer zu machen. Es verging kein Tag, an dem er nicht ausdrucksstark
klarmachte, wer der rechtmäßige Nachfolger des Grafen sei. Wie oft hatte
Siegfried in den letzten Jahren für Dinge geradestehen müssen, die eigentlich
sein Halbbruder zu verantworten hatte.
     
    ***
     
    Jahre
des Schmerzes und der Peinigungen waren vergangen. Am folgenden Tage, im Alter
von nun siebzehn Jahren, sollte Siegfried zum Ritter geschlagen werden. Seit
Tagen schon sprang er ausgelassen über die Gänge der Burg und berichtete jedem
von seiner bevorstehenden Ehrung. Ein Ritter war in dieser Zeit fast
unantastbar und konnte sich nahezu alles erlauben.
    Die
Geschichte jedoch, welche seine Amme ihm am Abend vor dem Ritterschlag
erzählte, würde ihn kaum ruhig schlafen lassen. Sie hatte Siegfried in die
Küche gerufen und dieser freute sich auf ein warmes Essen und einen gemütlichen
Plausch, am Vorabend dieses wichtigen Tages.
    »Marta,
es riecht köstlich. Ich könnte einen ganzen Bären verschlingen.« Herzlich
drückte und küsste er seine Amme.
    »Mein
Junge«, Siegfried erkannte Tränen in ihren Augen, »ein großer Tag steht dir
bevor und ich bin so stolz, als seist du mein eigener Sohn.« Sie stockte und
schien nach passenden Worten zu suchen. »Aber da sind noch ein paar Dinge, die
du vorher erfahren musst, deshalb rief ich dich.« Immer ernster wirkte ihre Miene.
    »Was
ist es, Martha? Was willst du mir erzählen?«
    Sie
berichtete ihm von seiner Rettung und davon, dass er eigentlich nur den
Schweinen als Futter dienen sollte. Auch von seinen Eltern erzählte sie ihm.
Man hatte damals, kurz nach seiner Befreiung, nur noch die abgebrannte Hütte
mit den Gebeinen vieler Toter vorgefunden.
    Nun
allerdings kam für Marta der schwerste Teil: »Siegfried! Du hast eine
Bestimmung - ein Schicksal, das dir vorausgesagt ist.
    »Bestimmung
...?«, Siegfried schaute seiner Amme fest in die Augen. »Was ist mein
Schicksal?«
    »Du
wurdest nur gerettet, um einen Drachen zu töten. Deshalb lebst du hier und nur
aus diesem Grunde hat der Graf dich wie seinen eigenen Sohn aufgezogen.«
    »Einen
Drachen?«, Siegfried runzelte die Stirn, »welchen Drachen - und warum
ausgerechnet ich? Es gibt so viele tapfere Ritter auf dieser Burg?«
    Marta
erzählte ihm alles über die alte Hexe, den Fluch und seine Rolle in dieser
traurigen Geschichte. Natürlich hatte Siegfried schon einige Gerüchte
vernommen, die man sich im Hof der Burg zuflüsterte, aber er hatte ihnen
bislang wenig Beachtung geschenkt. Nun konnte er sich die Dinge zusammenreimen
- vieles erschien im deutlich klarer als zuvor.
    Die
beiden saßen noch eine Ewigkeit zusammen. Als Marta ihn dann zum Abschied unter
Tränen drückte und küsste, überkam Siegfried das Gefühl, als ob er sie zum
letzten Mal in seinen Armen hielt.
     
    Warm
und trocken begann der nächste Tag. Man hatte den großen Festsaal der Burg
feierlich geschmückt. Mächtige Fahnen, geziert vom Wappen der Grafschaft,
überspannten den ganzen Saal. Es duftete nach erlesenem Essen. Scharen von
Bediensteten sorgten für das leibliche Wohl der Gäste.
    Gleich
drei Männern sollte heute die Ritterehre zuteil werden. Alles junge, kräftige
Burschen, die man in den vergangenen Jahren zu perfekten Mordwerkzeugen
ausgebildet hatte. Siegfried war als Letzter an der Reihe. Er hatte sich den
Ablauf der Zeremonie genau eingeprägt. Voller Stolz  empfing er den
Ritterschlag, der sein gesamtes Leben verändern würde. Wie sehr, das konnte er
in diesem Moment nicht einmal erahnen.
    Als der
Graf ihn dann, nur wenig später, in seine privaten Gemächer bat, da wunderte er
sich nur wenig. Schließlich hatte Marta ihn ja, am Abend zuvor bereits,
ausführlich informiert.
    »Siegfried!
Nun bist du ein Ritter und es ist Zeit dafür, dir deine erste Aufgabe zu
erteilen«, unterrichtete ihn der Graf in ruhigem Ton. »Und ich möchte auch
nicht versäumen, dich daran zu erinnern,
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