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Dr. Siri sieht Gespenster - Cotterill, C: Dr. Siri sieht Gespenster - Thirty-Three Teeth

Dr. Siri sieht Gespenster - Cotterill, C: Dr. Siri sieht Gespenster - Thirty-Three Teeth

Titel: Dr. Siri sieht Gespenster - Cotterill, C: Dr. Siri sieht Gespenster - Thirty-Three Teeth
Autoren: Colin Cotterill
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hatte er die Angewohnheit, leicht auf den Fersen zu wippen. Richter Haeng aus dem Justizministerium, das die Arbeit von Siri und seinen beiden Helfern überwachte, setzte sich für die Entlassung des »Idioten« ein, dabei leistete Geung trotz seiner Behinderung hervorragende Dienste. Zwar wurde er bisweilen nervös, wenn etwas seinen gewohnten Tagesablauf
störte, doch alles in allem war er ein erstklassiger Assistent. Siris Vorgänger hatte ihn mit unendlicher Geduld zum Gehilfen ausgebildet, und er war in vielerlei Hinsicht beschlagener als Dtui oder Siri. Er war stark und zuverlässig und nicht zuletzt ein wahrer Künstler im Umgang mit der Knochensäge.
    »Der Chef hat einen Kater«, sagte Dtui.
    Geung lachte schnaubend. »Al... Alkohol ist das Elixir des T... des Teufels.«
    »Ist das wieder eine der Weisheiten deines Vaters?«
    »Nein. Das hat Genosse Dr. Siri ges... gesagt, als wir an Neujahr den Besoffenen aufgeschnitten haben.«
    Das war die Kehrseite der Medaille. In Geungs Gegenwart hütete man am besten seine lose Zunge. Er vergaß so gut wie nichts.
     
    Die Obduktion verlief nach dem üblichen Prozedere. Siri hielt sich im Hintergrund und ließ Dtui die Leiche untersuchen, während er sich Notizen machte. Sie lernte noch und hoffte auf ein Medizinstipendium im Ostblock. Dtui hatte Augen wie ein Luchs und entdeckte oftmals Kleinigkeiten, die Siri übersehen hatte. Der einzige Nachteil dieses neuen Systems bestand darin, dass Siris Notizen nachher niemand lesen konnte. Nicht einmal Siri selbst.
    Da die beiden Leichen in der Pathologie bislang nicht als vermisst gemeldet waren, wurden sie vorerst Mann A und Mann B genannt. Sie bildeten ein ungleiches Paar. Mann A war adrett gekleidet. Er trug nicht nur ein weißes Hemd und bügelfreie Hosen, sondern auch eine alte, aber kostspielige Uhr und hatte zarte, schwielenlose Hände, was darauf hindeutete, dass ihm körperliche Arbeit fremd war. Weitaus bemerkenswerter jedoch fanden Siri und Dtui den
Umstand, dass er Socken trug. Draußen war es über vierzig Grad heiß. Selbst in den wenigen Büros, in denen museumsreife französische Klimaanlagen einen aussichtslosen Kampf gegen die Hitze führten, war »lauwarm« das höchste der Gefühle. Es war nie so kalt, dass man Socken tragen musste.
    Nein, der arme Mann hatte vermutlich keine andere Wahl gehabt. Seit seiner Berufung zum Leichenbeschauer versuchte man Siri dazu zu bewegen, seine Füße in die schwarzen Plastikschuhe zu quetschen, welche die Partei ihren Beamten zur Verfügung stellte. Er nannte das die »Schuhbi-du-Doktrin«. Allein seinem Alter und seiner Sturheit war es zu verdanken, dass er seine braunen Ledersandalen anbehalten durfte. Doch er wusste, wenn man ihn eines Tages in diese Zehenquäler zwängte, würde auch er wohl oder übel Socken tragen müssen.
    Dtui sprach seine Gedanken aus. »Ich würde sagen, er arbeitet für die Regierung.«
    »Die Socken?«
    »Die Finger.«
    Sie erstaunte ihn immer wieder. Siri trat an den Sektionstisch und hielt die Hand von Mann A in die Höhe. Sämtliche Fingerkuppen waren violett verfärbt: ein klassischer Fall von Triplikatsyndrom.
    Civilai hatte diesen Ausdruck geprägt; er bezeichnete die seltsamen »blauen Flecken«, die in sozialistischen Bürokratien weit verbreitet waren. Da für jede Abteilung Durchschläge angefertigt werden mussten, erstickten die Beamten förmlich in Papierkram. Das rief das Zeitsparwunder moderner Büroführung auf den Plan: Kohlepapier.
    Wie seine Schuhe und sein Haarfärbemittel bezog Laos auch sein Kohlepapier aus China. Leider befand sich zumeist
mehr Tinte an den Fingern der Benutzer als an dem Papier. Herr A hatte sich offenbar durch ganze Berge von dem Zeug gewühlt.
    Nachdem sie ihn ausgezogen und seine Kleider katalogisiert und eingetütet hatten, machten sie die erlaubten vier Farbfotos von der Leiche. Siri fiel auf, dass der Tote ohne Schuhe eingeliefert worden war. Im Mundwinkel klebte ein schmales, getrocknetes Blutrinnsal, und Brust und Abdomen waren mit schweren Blutergüssen übersät.
    Bevor er mit der inneren Leichenschau begann, beschloss Siri, zunächst Herrn B zu untersuchen. Das würde erstens Zeit sparen und ihnen zweitens Gelegenheit geben, die Verletzungen der beiden zu vergleichen. Siri ignorierte Dtuis Bemerkung: »Sie hätten Schlachter werden sollen«, und bat sie um ihre Ansicht zu Herrn B.
    Sie meinte, er stamme in jedem Falle aus einem anderen Stadtteil als Herr A. Seine Kleider waren abgetragen und
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