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Dr. Siri sieht Gespenster - Cotterill, C: Dr. Siri sieht Gespenster - Thirty-Three Teeth

Dr. Siri sieht Gespenster - Cotterill, C: Dr. Siri sieht Gespenster - Thirty-Three Teeth

Titel: Dr. Siri sieht Gespenster - Cotterill, C: Dr. Siri sieht Gespenster - Thirty-Three Teeth
Autoren: Colin Cotterill
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den Verstorbenen gezielte Fragen zu stellen, dennoch bescherten sie ihm regelmäßig wertvolle Hinweise. Was ihm an Erfahrung fehlte (er bekleidete das Amt des Leichenbeschauers erst seit einem knappen Jahr),
machte er durch seine Zwiegespräche mit den Toten oftmals mehr als wett. Sein dreidimensionaler Geist hatte eine vierte Dimension hinzugewonnen.
    »Wie sollten wir je einen Ersatz für dich finden, kleiner Bruder? Du bist eine lebende Legende«, erwiderte Civilai.
    »Eine Legende?« Siri setzte sich vorsichtig in der Hängematte auf. »Sind Legenden nicht in aller Regel furchtbar geschwätzig und nehmen es mit der Wahrheit nicht sonderlich genau?«
    »Du hast’s erfasst.«
    »Heiß heute, was?«
    »Verdammt heiß.«
    Dieses alte Lied pfiffen in der heißen Jahreszeit sämtliche Hauptstadtspatzen von den Dächern. Da es in den letzten Monaten besonders heiß gewesen war, hörte man es dieser Tage noch häufiger als sonst.
    Jetzt erst bemerkte Siri den Stoffbeutel auf Civilais Schoß. »Hast du mir was mitgebracht?«
    »Nichts, was dich interessieren könnte.«
    »Das musst du schon mir überlassen.«
    »Die Sowjets machen uns den Hof. Sie wollen hier eine Satellitenschüssel errichten, um die Yankees zu bespitzeln. Solange wir uns zieren, versuchen sie, uns mit solchen Liebesgaben zu ködern.« Er schnürte den Beutel auf und förderte eine Flasche zutage.
    »Wodka?«
    »Moskovskaya; der beste, den es gibt. Aber du hast doch sicher keinen Durst.«
    Kaum hatte Civilai das Wort Durst über die Lippen gebracht, war Siri auch schon aus der Hängematte gesprungen und kramte in der Küche nach einem zweiten Glas.

    Der Vormittag ging nahtlos in den Nachmittag über.
    »Ich verstehe nicht, wie die Russen dieses Seug zaufen können,« lallte Civilai und ließ den ganzen Satz zu einem einzigen langen Wort zusammenschnurren.
    »Ich auch nicht. Kein Wunder, dass die Frauen mehr Haare haben als die Frauen.«
    »Männer.«
    »Wo?«
    Damit hatte das Gespräch seinen Tiefpunkt erreicht. Der klägliche Rest am Boden der Flasche reichte gerade für zwei letzte Gläser. Die Freunde saßen nebeneinander auf der langen, unbequemen Holzpritsche. Obwohl sich der Garten nicht bewegte, schwankten sie wie zwei Schiffbrüchige in einem Rettungsboot. Civilai hob den Blick und betrachtete das zusammengerollte Moskitonetz, das über ihrem Kopf befestigt war.
    »Schläfst du hier draußen, kleiner Bruder?«
    Siri schüttelte den Kopf. »Ja.«
    »Und wozu brauchst du dann ein Haus?«
    »Meine Rede. Genau diese Frage habe ich auch Richter Haeng gestellt. Aber er wollte mir den Garten partout nicht ohne das Haus überlassen. Er sagte« – Siri imitierte den schrillen, weinerlichen Singsang seines jungen Vorgesetzten -, »›Wir sind ranghohe Parteimitglieder, Genosse Siri. Als solche müssen wir mit gutem Beispiel vorangehen. Auf Bäumen zu schlafen sollte ausschließlich Primaten vorbehalten bleiben.‹ Dass er weiß, was ein Primat ist, hätte ich ihm gar nicht zugetraut.«
    »Was hast du gegen Häuser?«
    »Ich habe nicht das Geringste gegen Häuser. Aber das hier ist doch kein Haus. Ein Haus ist eine luftige Holzkonstruktion auf Felgen...«

    »Pfählen.«
    »Sag ich doch. Auf Felgen, das knarrt, wenn man herumläuft. Das bei Wind schwankt und bei Regen undicht wird. Aber das? Das ist ein Sarkahoph... ein... ein Saroph … Sarpho... Sarkophag.«
    »Ich hätte es nicht schöner sagen können.«
    »Warum ist die Regierung eigentlich so sehr auf Beton fixiert?«
    »Haltbarkeit. Dieses Haus wird auch in tausend Jahren noch stehen, wenn deine Holzhäuser schon zehnmal zusammengebrochen sind. Denk an die drei kleinen Schweinchen.«
    »Ganz recht. Es ist ein Schweinestall.«
    »Unsinn.«
    »Dann ist es ein Grab. Ich komme mir vor wie lebendig begraben. Es hat etwas zutiefst Morbides.«
    »Und das sagst ausgerechnet du?«
    »Ich bin Leichenbeschauer. Keine Leiche.«
    Civilai lehnte sich lachend zurück. »Was machen eigentlich deine Geisterfreunde?«
    Siri sah ihn prüfend an, aber Civilai schien sich über Siris Verbindungen zur Geisterwelt ausnahmsweise einmal nicht lustig zu machen.
    »Seit den untergetauchten Vietnamesen im November herrscht im wesentlichen Funkstille. Andererseits hatten wir seitdem auch keinen Mordfall mehr.«
    »Sie melden sich also nur, wenn Not am Mann ist?«
    »Nein. Sie sind ständig in unserer Nähe. Sie treten zwar hin und wieder in Erscheinung, verhalten sich aber in aller Regel ruhig. Spät« – er hickste -,
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