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Dr. Gordon wird Vater

Dr. Gordon wird Vater

Titel: Dr. Gordon wird Vater
Autoren: Richard Gordon
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erwähnte.
    «Ich habe ein gutes Leben gehabt. Doch
alles, was ich vorweisen kann, ist wohl nichts anderes als eine Reihe Präparate
im pathologischen Museum von St. Swithin. Oh, ich weiß, ich habe einer hübschen
Menge Leute das Leben etwas erleichtert. Habe etliche Leben ein Weilchen
verlängert. Könnte sogar vielleicht ein oder zwei gerettet haben. Aber ein
Chirurg ist ja schließlich dazu da, um chirurgische Eingriffe vorzunehmen, genauso
wie ein Schuhmacher dazu da ist, um Schuhe zu machen. Und keiner von beiden hat
das Recht, sich darauf etwas zugute zu tun.
    Damit will ich keineswegs den Stand
verkleinern, dem wir drei anzugehören die Ehre haben. Keineswegs. Kein Mensch,
ob Mann
    oder Weib, kann etwas Besseres tun, als
sein Leben darauf zu verwenden, die Gesundheit der Mitgeschöpfe zu erhalten.
Ohne Gesundheit scheint diese Welt keine Behaglichkeit, die nächste keine
Freundlichkeit zu haben. Und unser Lohn liegt im Geist — einem Geist, der darin
geübt ist, den falschen Schein und die Voreingenommenheit, in die sich die
Menschen wie in Kleider hüllen, bloßzulegen. Ich glaube, nur wir sind imstande
zu entdecken, was es unter ihnen grundlegend Gutes oder Böses gibt. Ein Leben
ohne diese Erfahrung wäre mir zutiefst unbefriedigend gewesen.»
    Einige Augenblicke stand er da und
strich sich den Bart. Sein kleiner Namensvetter hörte zu schreien auf, gähnte
herzhaft und fiel in Schlaf.
    «Wenn ich eigene Kinder hätte, könnte
ich hoffen, daß wenigstens eines von ihnen mir nach St. Swithin folgt. Ihr
könnt euch in diesem Augenblick nicht vorstellen, was für ein Trost mir dies
bedeuten würde: zu wissen, daß mich an jemanden, der denselben Pfad wie ich
beschreitet — und nicht nur wie ich, sondern auch wie Pasteur, John Hunter oder
Horder —, persönliches Interesse bindet. Es ist höchst unwahrscheinlich, daß
ich noch unter den Lebenden weilen werde, wenn dieser junge Mann sich
entschließen sollte, sich der Medizin zu verschreiben. Aber mir würde das Gefühl
genügen, ihm ein wenig zu helfen, wenn er es täte.»
    Sir Lancelot machte eine Pause.
    «Da halte ich lange Vorträge», sagte er
dann unvermittelt. «Hätte nicht gedacht, daß ich solchermaßen meine Seele
bloßlegen müßte, Gordon. Ich stellte mir vor, es würde eine Kleinigkeit sein,
dich dafür zu gewinnen.»
    «Natürlich greifen wir dankbar zu»,
sagte Nicky. «Nicht wahr, Richard?»
    «Dann freue ich mich von Herzen», war
alles, was Sir Lancelot erwiderte.
    «Ich fürchtete vorher nur», fuhr Nicky
freimütig fort, «daß Sie bezüglich seiner Erziehung einen Druck auf uns ausüben
würden.»
    «Großer Gott!» rief Sir Lancelot. «Ich?
Kinder jagen mir eine Heidenangst ein.»
    Kurz darauf fuhr mein Taufpate nach
London. «Ich werde an einem der nächsten Tage wiederkommen, um mit dir zu sprechen»,
kündigte er an, als ich mich an der Eingangstüre von ihm verabschiedete.
«Hoffentlich», fuhr er mit einem Blick auf einen Gegenstand in der Halle fort,
«wird sich inzwischen mein Hochzeitsgeschenk als nützlich erweisen.»
    «Apropos, Sir», fragte ich, durch
unsere neuen familiären Bande kühn geworden, «was ist es eigentlich?»
    «Mein lieber Junge, ich habe nicht die
blässeste Ahnung. Hab es seinerzeit bei einer Versteigerung erstanden und
bemühe mich seit Jahren, es loszuwerden.»
    Mit den anderen Schicksalsprüfungen
dieser Nacht hatte sich auch der Nebel verflüchtigt, und bei prallem
Sonnenschein klaubte ich die Briefe und Zuschriften auf, die bisher unbemerkt
auf der Türmatte gelegen hatten; da läutete das Telephon.
    «Für dich», rief ich Grimsdyke zu. «Zoe
meldet sich aus London.»
    «Sie will mit mir lunchen gehen!»
verkündete er strahlend nach einer kurzen und fast im Flüsterton geführten
Konversation. «Sie wünscht tatsächlich, daß ich sie zum Essen ausführe! Hat
mich extra deswegen angerufen. Weißt du, was das bedeutet, Richard? Erfaßt du
es? Sie hält mich also trotz allem nicht für einen ungeschlachten Pavian. Sie
läßt sich herbei, sich öffentlich in meiner Begleitung zu zeigen. Sie möchte
tatsächlich mit meiner vertrottelten Konversation vorliebnehmen. Sie bringt es
über sich, in meine aus-druckslose Visage zu blicken. Sie —»
    «Nur nicht gleich übertreiben, Grim»,
sagte ich lächelnd. «Es liegt eine lange Wegstrecke zwischen dem Lunch, zu dem
man ein Mädel ausführt, und dem Altar, zu dem man die Braut geleitet.»
    «Aber die Grimsdykes, Alter», erklärte
er, von Stolz geschwellt,
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