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Dr. Gordon wird Vater

Dr. Gordon wird Vater

Titel: Dr. Gordon wird Vater
Autoren: Richard Gordon
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ein verständiges Mädel! Und außerdem weiß
jeder Mensch, daß sämtliche Wirtshausuhren um zwanzig Minuten vergehen.»
    «Verständig mag sie ja sein, aber ich
habe bereits entdeckt, daß es im Ehekalender kein schlimmeres Verbrechen gibt,
als sich bei einer Mahlzeit zu verspäten.»
    «Na schön», gab er nach. «Wiewohl es
vor gar nicht langer Zeit ebenso schwer gewesen wäre, dich von einem offenen
Wirtshaus wegzulotsen wie ein durstiges Kätzchen von der Mutterzitze.»
    Ich hatte mich schon seit langem auf
Grimsdykes Besuch gefreut, bereitet doch einem frischgebackenen Ehemann nichts
mehr Genugtuung, als vor seinen alten Freunden mit der Kochkunst seines neuen
Weibes zu prahlen. Grimsdyke erwies sich als lohnender Gast, bewunderte
überschwenglich meine Gattin, den Hammelbraten, das Landhäuschen, in dem wir
wohnten, ja sogar den Garten, der hauptsächlich eine Ablagerungsstätte für
Vogelmist war.
    Während des Mahls bewegte sich unser
Gespräch eisern in den für zwei Engländer vorgeschriebenen Bahnen, die dieselbe
Studienanstalt besucht haben, und als es Zeit geworden war, abzuräumen, sagte
Nicky, merkbar aufatmend: «Ich lasse euch jetzt in Ruhe allein weiter in euren
Erinnerungen schwelgen. Ich wasche inzwischen das Geschirr.»
    Ich gab Grimsdyke eine Zigarre — ich
verdankte sie der Nervenentzündung des wohlhabenden Majors Marston — und er
lehnte sich in nachdenklichem Schweigen in seinem Lehnstuhl zurück.
    «Wie ist’s eigentlich, Alter?» fragte
er plötzlich.
    «Was soll wie sein?»
    «Na — das Verheiratetsein und so
weiter. Das Dasein eines Familienvaters mit Lebensversicherung und Rasenmäher.
Bringt — mit Verlaub — das Gefühl des Verwurzeltseins an einem einzigen Fleck
nicht manchmal einen leichten Anfall von Klaustrophobie mit sich?»
    Ich überdachte dies. Die Praxis teilte
ich mit Dr. Farquarson, einem großen, hageren Schotten, den ich durch Grimsdyke
— er war sein Onkel — kennengelernt hatte. In jenen verflossenen Tagen, da
Bewerbungen um Assistenzstellen bei praktischen Ärzten so zahlreich waren wie
Bewerbungen um Zuschauerplätze für Wimbledon, hatte ich mich glücklich
geschätzt, auf einem so reizenden Fleckchen wie Hampden Cross landen zu können.
Es lag nahe genug bei London, daß man gelegentlich einen Abend in der Stadt
verbringen konnte, jedoch weit genug entfernt, um gelegentlich aufs Land zu
fahren, und hatte es sich auch den Großteil des Winters teuflisch mit dichtem
Nebel verschworen, so konnte dieser andererseits auch wieder als Vorteil
gewertet werden, wenn sich die richtigen Leute eine Bronchitis zuzogen.
    Die Buchstaben meines Namens auf der
Tafel, die unseren Ordinationsraum bezeichnete — in einem hübschen
terrassenartigen Anbau Georgianischen Stils, gegenüber der Abtei, gelegen —,
waren schon leicht verwittert; und nachdem ich mich etliche Jahre mit Grimsdyke
reihum in den Londoner Kneipen ausgetobt hatte
    — deren gründliche Kenntnis den
wesentlichsten Bestandteil seiner ärztlichen Ausbildung ausmachte —, fand ich
zu meiner eigenen Überraschung volles Genügen darin, meine Abende am Kamin mit
dem Lösen von Kreuzworträtseln zu verbringen.
    Grimsdykes Frage regte mich an, meine
Vorstellungskraft auf irgend etwas anderes zu
konzentrieren, das ich mir heiß wünschte, aber mir fiel nur ein Sportwagen ein.
Ein Arzt verbringt fast ebensoviel Zeit im Auto wie im Bett, und ich legte mir
fleißig Geld zurück, um eines Tages eines jener gefährlichen Modelle auf den
lieben alten holprigen englischen Straßen dahinrasen zu lassen, Dr. Farquarson
hatte wahrscheinlich recht, wenn er diesen Wunsch als ein Symptom hartnäckiger
Unreife auslegte, aber er war ein Mensch, der sich darauf versteifte, alle
Autos wären gleich zu werten, solange sie den Hosenboden von der Berührung mit
der Straße fernhielten.
    «Klaustrophobie?» erwiderte ich. «Nicht
mehr, als wenn ich an einem eiskalten Morgen in einem angenehm warmen Bad
sitze.»
    «Du bist also nach einjähriger
Bewährungsfrist noch immer ein unentwegter Verfechter des Ehestandes?»
    «Gewiß!»
    «Dann muß wirklich was dran sein»,
sagte Grimsdyke anerkennend. «In den letzten paar Jahren haben sich meine
sämtlichen alten Kameraden vom St. Swithin wie die Eintagsfliegen an einem
heißen Nachmittag gepaart. Die Ehe gehört offenbar zu den Dingen, die für den
Zuschauer schlimmer aussehen, als sie sind, wie zum Beispiel auch das
Austernessen und das Skilaufen.»
    «Warum probierst du’s nicht mal
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