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Dornenliebe

Titel: Dornenliebe
Autoren: Christine Feher
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betritt die Küche, sagt leise »Hallo« in die Runde, was ein wenig verhalten, aber nicht unfreundlich erwidert wird. Luna nimmt einen Teller vom Stapel und füllt sich Essen auf, Kartoffelsalat, gebratene Fleischklöße, rohe Paprikastreifen mit Kräuterdip.
    »Es ist auch Suppe da«, sagt eine rothaarige junge Frau und deutet zum Herd. »Kürbissuppe, total lecker.«
    »Danke.« Luna stellt ihren Teller noch einmal ab, sucht mit den Augen die Anrichte nach Suppentassen ab, spürt, wie die warme Mahlzeit sie von innen her beruhigt. Fast muss sie aufpassen, nicht zu hastig zu essen, sie ist so hungrig. Wenn sie zu schnell fertig ist, weiß sie nicht mehr, was sie auf der Party noch tun soll. An dem großen fleckigen Tisch aus unbehandeltem Holz sitzen außer der jungen Frau, die ihr die Suppe angeboten hat, noch drei weitere Leute etwa in Lunas Alter, die sich angeregt unterhalten haben, als sie hereinkam. Jetzt sind sie still. Vielleicht ist es die WG, denkt Luna; vielleicht haben sie gerade über irgendein Problem diskutiert. Einen Zuhörer können sie nicht gebrauchen.
    Als sie satt ist, stellt Luna ihr Geschirr in die Spüle und setzt sich zögernd in Bewegung.
    »Getränke sind im Gemeinschaftszimmer«, sagt einer der vier, ein Junge mit verwuscheltem mittelblondem Haar und einem offenen Blick aus hellbraunen Augen. Luna fällt auf, dass er seinen verwaschenen dunkelgrauen Sweater auf links trägt, und lächelt in sich hinein. Bestimmt ist das sein Lieblingsstück, denkt sie, und er wollte es noch nicht in die Wäsche geben. Mit ihm ins Gespräch zu kommen, wäre jetzt schön, doch er wendet sich wieder seinen Freunden zu.

    Luna räuspert sich leise.
    »Finde ich dort auch den Gastgeber? Ich habe noch gar nicht gratuliert.«
    Statt des Jungen antwortet wieder die Rothaarige.
    »Johannes? Du kennst ihn noch gar nicht? Klar, der schwirrt hier irgendwo herum, du erkennst ihn an seinem weißen Hemd, das zieht er immer an, wenn er Geburtstag hat. Eine Macke von ihm, die ihm wahrscheinlich seine Mama eingebläut hat.« Sie pocht lautlos mit den Fingern auf die Tischplatte, die anderen drehen an ihren leeren Gläsern, greifen in eine Schüssel mit Salzstangen, die zwischen ihnen auf dem Tisch steht. Luna nickt ihnen noch einmal zu, dann verlässt sie den Raum.
    Im Gemeinschaftszimmer steht die Luft. Auf einem Futonsofa drängen sich fünf Leute aneinander, lachend versuchen sie sich gegenseitig von der Sitzfläche zu schubsen, um selbst mehr Platz zu haben. Statt Jazz läuft nun eine schwebende, sphärische Musik, zu der ein paar Mädchen mit geschlossenen Augen tanzen, als wären sie in einer anderen Welt. Luna entdeckt Sarah, die mit einer Bierflasche in der Hand neben der Stereoanlage steht und sie lächelnd zu sich heranwinkt. Erleichtert steuert Luna auf sie zu.
    »Amüsierst du dich?«, fragt Sarah, gleichzeitig stellt sich ein Junge neben sie und legt den Arm um ihre Schultern. Luna nickt, dann sieht sie den Tisch mit den Getränken und nimmt sich einen Pappbecher, schenkt sich Orangensaft ein und stürzt ihn in einem Zug hinunter, dann noch einen.
    »Keinen Alkohol?«, fragt der Junge, der Sarah im Arm hält. Erst jetzt sieht Luna, dass er ein weißes Hemd trägt, also muss er Johannes sein. Sie streckt ihm die Hand hin und murmelt einen Glückwunsch.
    »Danke.« Johannes strahlt sie an. »Du bist Luna, nehme
ich an. Komm, nimm dir einen Rotwein! Sarah hat erzählt, du bist neu in Berlin, das muss mindestens so krachend gefeiert werden wie mein Einundzwanzigster.« Schon reicht er Luna ein gefülltes Glas und stößt mit ihr an, Sarah tut es ihm gleich. Der Alkohol steigt Luna rasch in den Kopf, sie fühlt sich angeregt und müde zugleich, endlich ist sie satt und hat keinen Durst mehr. Dafür spürt sie die Müdigkeit in ihrem Rücken, den Armen und Beinen. Der Umzug nach der langen Fahrt, die Kisten. In der neuen Wohnung ist das Bett noch nicht bezogen. Als Luna daran denkt, dass sie nachher noch zurückfahren muss, läuft ihr eine Gänsehaut über den Rücken, an die S-Bahn erinnert sie sich noch, aber Sarah und sie sind umgestiegen, Luna weiß nicht mehr wo. Eigentlich möchte sie bald gehen, aber sie muss auf Sarah warten. Es ist noch nicht mal Mitternacht, immer noch kommen neue Leute rein, es wird enger und voller. Auf dem Sofa wird jetzt gekifft, aus der Küche dringen viele Stimmen, die Clique am Tisch hat keine Chance mehr, sich allein zu unterhalten. Sarah tanzt mit Johannes, inzwischen laufen
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