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DoppelherzTOD

DoppelherzTOD

Titel: DoppelherzTOD
Autoren: Henner Kotte
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doch sicher auch zu viel an Telefongebühren. Die Summe bewegte sich seit Jahren im gleichen Bereich. Testen Sie unser neues Programm! Nein! Super! Lügner! Vielleicht kann ich es Ihnen einmal demonstrieren? Diesen Satz hörte Bruno Ehrlicher in der Regel nicht mehr. Er hatte vorher aufgelegt. Gab es kein Gesetz, das solch eine Belästigung verbot? Bislang war ihm dieser Telefonterror nie aufgefallen. Wie hielten das andere Pensionäre nur aus? Sie haben gewonnen! Herzlichen Glückwunsch! Da Ehrlicher aber stand, konnte er auch zum Hörer greifen.
    »Ja, bitte?«
    »Bruno, bist du’s?« Das klang nicht nach unverlangter Werbeoffensive.
    »Wer spricht denn, bitte?«
    »Ja, also, der Frieder ist hier, der Frieder Hosfeld.«
    Ehrlicher konnte mit dem Namen zunächst keine Person verbinden. Dann dämmerte schattenhaft eine Gestalt vor seinem Auge. Ein um den Bauch spannendes Hemd. Die Brille auf der Nasenspitze. Das Bonbon der sozialistischen Partei am Revers. »Frieder Hosfeld, Major der Volkspolizei?«
    »Du hast es ja nur bis zum Hauptmann geschafft.«
    »Dafür warst du nie Kriminalhauptkommissar.« Hosfeld und Ehrlicher waren in Leipzig zusammen für den Polizeidienst ausgebildet worden. Nach dem Abschluss war Ehrlicher wieder nach Dresden gegangen. Hosfeld traf er noch auf Fortbildungen. Später hat Hosfeld selbst in Berlin junge Polizisten geschult. Er war ein früherer Kollege. Kein besonders enger, kein besonders angenehmer. Alter und Parteifunktion hatten ihn bereits 1992 in den vorzeitigen Ruhestand versetzt. Ehrlicher glaubte sich erinnern zu können, dass Hosfeld mit Kollegen gegen diese Entlassung protestiert hatte und gescheitert war. Privat hatten sie kaum Kontakt gepflegt. Hosfelds Einladungen zu Ehemaligentreffen hatte Ehrlicher ausgeschlagen. Er befand sich im Gegensatz zum Kollegen noch im Dienst der bundesdeutschen Gesellschaft. Außerdem war Ehrlicher kein Freund von Revival-Partys. Warum rief Frieder Hosfeld ihn an?
    »Wie fühlt man sich als Pensionär? Hättest dich ja auch mal melden können.« Dazu hatte Bruno Ehrlicher keinen Grund. »Du weißt, Rentner haben niemals Zeit.«
    »Die gute alte Zeit, ganze Fernsehserien hat man darüber gedreht.«
    Ehrlicher sah sie vor sich: Helga Göring und Herbert Köfer und Herricht, Geschonneck und die…
    »Heute sind wir nur noch ein Kostenfaktor bei der Renten- und Gesundheitskasse. Keine schönen Schlagzeilen.«
    »Ja.« Mehr fiel Ehrlicher zum Thema nicht ein.
    »Wie wär’s denn mal wieder auf ein Bierchen?«
    Mal wieder? Sie hatten sich ewig nicht gesehen oder waren sich aus dem Wege gegangen. Irgendetwas hatte der Hosfeld doch mit ihm vor. Ehrlicher hatte keine Ahnung, was der von ihm wollte. Und Lust auf ein Wiedersehen verspürte er nicht. »Na ja.« Wie lehnte man ab, ohne unhöflich zu wirken? Bei Werbung hätte er den Hörer einfach auf die Gabel geknallt.
    »Muss ja nicht heute sein«, sprach Hosfeld in Ehrlichers Überlegung.
    »Nee, heute treffe ich mich eh mit dem Kain und dem Walter.« Noch als er es sagte, begriff Ehrlicher seinen Fehler.
    »Wo denn? Die habe ich ja auch seit Ewigkeiten nicht mehr gesehen. Als der Kain damals bei mir die Ausbildung gemacht hat, hätte ich nie gedacht, dass aus dem ein ordentlicher Polizist wird. Aber als ich hörte, dass du sein Chef bist…«
    Hosfeld hatte seinen Satz als Einladung interpretiert. Verdammt. Wie war der Rückzug jetzt möglich? Falsche Adresse? Falsche Kneipe? Private Fete? »Ja, du, ich weiß nicht, ob ihnen das recht ist…«
    »Muss ja nicht gleich sein… Bruno, ich will dich nur mal auf fünf Minuten. Das andere können wir ja auch später…«
    »Worum geht’s denn eigentlich?« Ehrlicher war zwischen Ablehnung und Neugier hin- und hergerissen.
    »Ich hab da so ‘ne Idee… Die schlägt bestimmt ein.«
    Also doch ein Werbeanruf. Hosfeld wollte ihn als Kunden! Nach der Wende hatten sich viele der Freunde, Kollegen und Bekannten als Vertreter versucht. Versicherungen? Brauchste doch. Hier, mein Angebot. Noch heute hing ihm eine wertlose Haftpflicht am Hacken. Neue Küche? Kein Problem. Seine Frau hatte mit Freuden ja gesagt. Die Küche war noch nicht abbezahlt, als sie umzogen. Buchclub? Gab ja keene Literatur, und wenn, nur unterm Ladentisch. Jetzt zum Mitgliedspreis! Er hatte sich die teuren Bücher in den Schrank gestellt, die er ein halbes Jahr später beim Discounter zum Drittel des Preises bekommen hätte. Er hatte sie noch immer nicht gelesen. Jetzt wollte ihm der Hosfeld
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