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DoppelherzTOD

DoppelherzTOD

Titel: DoppelherzTOD
Autoren: Henner Kotte
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Vater ihres Kindes verlassen worden. Er würde bleiben. Auf immer und ewig, hatte Kain ihr geschworen.
    Frederike griff nach dem Tablett und servierte Rebecca Loepki das Frühstück selbst. Kain behagte dieses Arbeitsklima nicht. Scheißjob! Überhaupt, wie hatte er nur Frederikes Angebot annehmen können? Kellner war keine Arbeit für ihn. Ehrlich. Nette Geste von Bruno, das war’s aber dann. Danke, Frederike! Sie würde andere Kräfte bekommen. Die Arbeitslosenrate lag in Leipzig noch immer knapp unter zwanzig Prozent. Und Studenten waren stets dünne im Portemonnaie. Minijobs wurden da gern genommen. Auch eine Bezahlung bar auf die Hand. Er wollte seine verbleibenden Berufsjahre nicht als Kellner fristen.
    Der Koch klingelte und reichte Sächsische Kartoffelsuppe mit Schnippelwurst maximo aus den Tiefen der Küche. Kain griff seufzend danach. Der glatzköpfige Vertreter sah der Suppe erwartungsvoll entgegen und zitierte: »Alle angebotenen Speisen werden von uns frisch zubereitet. Die Bereitstellungszeit kann mitunter bis zu dreißig Minuten in Anspruch nehmen. Ich hatte Geduld und Verständnis im Interesse einer hochwertigen Qualität und Frische. Danke, sehr freundlich.« Er schnupperte am Tellergericht. »Riecht wie bei Muttern. Lecker.«
    Kain war sprachlos. Der Typ hatte die Sätze aus der Karte nicht einmal ablesen müssen. Isabell und Gregor kicherten. Frederike lächelte, und Rebecca Loepki lachte sogar.
    »Maximo appetito!«

2.
     
     
     
    »So ein Schwein! Und ich habe ihm vertraut!« Die Frau konnte Tränen nicht mehr zurückhalten.
    Die Moderatorin fuhr fort: »Sag mal, Dirk, du vertraust deiner Frau nicht und bestellst sie in meine Show, um ihre Liebe testen zu lassen. Und jetzt kommt raus, dass du selbst fremdgegangen bist…«
    Ein Typ mit Stiernacken grinste in die Kamera. Die Moderatorin riss die Augen auf und vergaß, ihre Karteikarten abzulesen. Gespielte Fassungslosigkeit. Die Frau schrie: »Namen! Nenne die Namen! War diese Steffi dabei? Sag, hast du die Steffi ge-«
    Das Wort wurde gestrichen. Ein unangenehmes Pfeifen schrillte durchs Wohnzimmer. Bruno Ehrlicher blickte vom Kreuzworträtsel auf.
    Das Publikum im Fernsehen lachte. Ein eifriger Gast meldete sich zu Wort. Die Moderatorin schob ihm das Mikrofon fast in den Mund. »Also, ich finde, dass du deinen Schwanz überall reinhältst, das ist unfair…«
    Der Kommissar drückte den Ton weg. Das war ja nicht auszuhalten! Täglich die gleichen Shows mit den gleichen Problemen, den gleichen Gesichtern und den gleichen Sätzen. Wildgewordene Moderatoren. Wildgewordene Gäste. Der Fernseher lief bei Bruno Ehrlicher nur, damit ihm seine Einsamkeit erträglich wurde. Die zu laute Beschallung allerdings lenkte ihn von seiner eigentlichen Aufgabe ab. Ehrlicher überlegte: Seehund (englisch)? Betonung im Vers? Scheinmedikament? – Placebo. Wenigstens eine Antwort, die passte.
    Kommissar a. D. Bruno Ehrlicher hatte die Füße auf dem Sessel der Couchgarnitur und löste Rätsel. Diese Beschäftigung war ihm selbst neu. Einmal hatte er aus Langeweile bei Frederike im Salon in einer herumliegenden Zeitung ein Kreuzgitter gelöst. Sie mussten es alle für sein neues Hobby gehalten haben. Sein Sohn Tommi kaufte für den Vater fortan die Hefte im Stapel, Kain schnitt die Rätsel aus Zeitungen aus, Frederike legte ihm stets die passende Seite des aktuellen Monatsmagazins neben das Bier. Und Bruno Ehrlicher griff tatsächlich zum Kuli und versuchte sein Wissen. Früherer Name Tokios? Figur aus »Peer Gynt«? Antriebsschlupfregelung (Abk.)? Zum nächsten Geburtstag würde er ein einschlägiges Nachschlagewerk auf den Wunschzettel setzen. Lieber Kreuzworträtsel lösen, als dass man ihn anderer Freizeitbeschäftigungen verdächtigte, wie Internettraining, Nordic Walking oder Seniorentanz. Hai. insofern? Besieger der Medusa? Germanisches Heiligtum? Dem Hauptkommissar a. D. fiel keines ein. Er musste das Lexikon bemühen und erhob sich stöhnend aus dem Sessel. Im Fernsehen weinte nun der Stiernacken Dirk. Die Moderatorin fuchtelte mit den Armen und zog die weinende Frau an ihre Brust. Solch Tagesablauf durfte nur ein Zwischenstadium sein, doch Ehrlicher hatte noch keine Idee, wie er seine Freizeit sinnvoll gestalten sollte. Er war kein Pensionär. Germanisches Heiligtum?
    Das Telefon läutete. Ehrlicher war versucht, das Klingeln zu ignorieren. Meist waren es Werbeanrufe. Haben Sie mal drei Minuten oder störe ich gerade? Das war keine Frage. Sie bezahlen
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