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Domfeuer

Domfeuer

Titel: Domfeuer
Autoren: Dennis Vlaminck
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Unrecht.«
    Matthias zog eine Augenbraue hoch und sah Paulus von der Seite an. »Das ist  unser  Feiertag, Paulus, du hättest ihn nicht einladen sollen. Barthel wird kaum verstehen können, warum Menschen wie wir diesen Tag feiern.«
    »Ich bin kein solcher Mensch mehr, also ist es streng genommen auch nicht mehr mein Feiertag. Streng genommen haben gerade auch die Rheinmüller am Tag des heiligen Vitalis etwas zu feiern, also darf er getrost daran teilnehmen. Und außerdem ist es streng genommen überhaupt gar kein Feiertag, sondern nur dann, wenn es nicht friert.«
    »Streng genommen.«
    »Richtig, streng genommen.«
    Matthias nahm den Krug wieder an sich, trank reichlich und wischte sich mit dem Ärmel den Mund ab. »Ich hab die letzten Jahre ganz vortrefflich ohne Barthel gelebt. Warum sollte ich das ändern? Wir haben nicht einmal denselben Vater.«
    »Aber dieselbe Mutter.«
    Matthias versuchte vergeblich, ein hämisches Lachen zu unterdrücken. »Und was für eine. Die Stadt empfängt die Pilger der Welt mit offenen Toren, unsere Mutter empfängt sie mit gespreizten Beinen.«
    »Himmel, Matthias, was hast du nur für ein Schandmaul! Und wenn schon. Sie ist Hure, du Bettler. Bist du so viel besser? Sie arbeitet härter für ihr Geld.«
    Als wollte er den Einwand wegwischen, wedelte Matthias mit dem Arm. »Ich will heute feiern.«
    »Dann zeige dich großherzig und mach mir eine Freude. Lass uns zu dritt feiern.«
    Mit einem Kopfschütteln bedeutete Matthias, wie weit Paulus noch von seinem Ziel entfernt war. »Warum das Ganze?«
    »Ich hab dir doch von meinem Mädchen erzählt. Ich will sie als Weib. Und euch Streithähne an unserer Festtafel.«
    »Heilige Einfaltigkeit.« Matthias blies die Backen auf. »Willst du unsere Mutter vielleicht auch zu dieser Feier einladen? Das wird ein feiner Spaß, wenn sie erst deinen Schwiegervater und dann alle deine Schwäger auf die Festtafel und zwischen ihre Schenkel zieht.«
    »Matthias!«
    »Was sagt eigentlich Barthel zu unserem Treffen?«
    Schweigen.
    »Er weiß gar nichts?«
    Schweigen.
    Matthias warf die Arme in die Luft. »Er weiß nichts! Und gleich sollen wir gemeinsam speisen gehen? Du bist ein Narr, Paulus.«
    »Ein Narr und ein Apostel, Matthias. Erinnere dich, wir sind die drei Apostel.«
    »Pah, Ammengeschwätz. Nur weil die alte Elsbeth uns so nennt, muss uns das nicht ein Leben lang aneinanderketten.«
    Paulus seufzte. Eine Weile sagten sie nichts, sondern saßen einfach nur da. Langsam legte sich der Trubel auf dem Kai. Sobald die Sonne untergegangen war, mussten alle Arbeiten beendet sein. Spätestens nach Einbruch der Dunkelheit wurden die Stadttore geschlossen, und trotz der Geschäftigkeit im Hafen blieben auch die zweiundzwanzig Tore und Pforten in der rheinseitigen Stadtmauer nicht viel länger offen.
    »Was soll’s«, sagte Matthias endlich. »Ich würde ja durchaus gern wissen, ob sich der Sohn eines Pfeffersacks vielleicht ein wenig geändert hat. Schaden kann es ja nicht. Aber ich bestimme die Regeln. Damit das klar ist. Auf keinen Fall gehen wir in ein Wirtshaus. Ich wollte hier im Hafen feiern, also machen wir das auch.«
    Nun war es an Paulus, den Entrüsteten zu geben. »Bist du von Sinnen? Gleich schließen sie die Tore. Sollen wir die Nacht vor der Stadt unter freiem Himmel verbringen?«
    Auch Matthias brauste auf, dass die Kisten unter ihnen wackelten. »Warum denn nicht? Das hat dich doch früher nicht gestört. Soll dieser Sohn eines heuchlerischen Hurenbocks doch sehen, wie hart mein Leben ist. Eine Nacht auf nacktem Boden wird ihm schon nicht schaden.«
    Paulus stöhnte laut auf. Eben noch hatte er gedacht, er hätte wenigstens Matthias für eine Versöhnung empfänglich gemacht, nun schwand seine Hoffnung wieder. Er riss dem Bruder den Krug aus der Hand und trank nun seinerseits reichlich. Himmel, es war vermutlich wirklich Pferdepisse. Paulus kratzte sich an der Schläfe. Er musste sich etwas einfallen lassen. Barthel wartete bestimmt schon.
    »Ich hätte es mir denken können!« Just in diesem Augenblick war Barthels polternde Stimme zu hören. »Nichtsnutze seid ihr, Rauf- und Saufbolde! Paulus, was soll das? Ich warte seit einer halben Ewigkeit am Salzgassentor, und du sitzt hier mit diesem … mit diesem Geschmeiß und betrinkst dich.«
    Breitbeinig stand Barthel am Fuß des Kistenstapels und sandte ihnen einen wütenden Blick hinauf. Sein Kopf schwankte auf seinem viel zu lang geratenen Hals bedrohlich hin und her.
    Matthias
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