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Domfeuer

Domfeuer

Titel: Domfeuer
Autoren: Dennis Vlaminck
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der Hand hielt.
    »Komm schon hoch, ich habe für dich ein Plätzchen freigehalten.«
    Paulus nahm Schwung und erklomm den Stapel. Kaum hatte er sich neben Matthias gesetzt, tat er, als wäre er angewidert, und schob den Bruder von sich weg. »Na, hier hat aber jemand auch nicht gerade in Rosenwasser gebadet.«
    Mit schwerem Herzen hatte Paulus in den vergangenen Jahren ansehen müssen, wie sich Matthias veränderte. Aus dem stattlichen Kerl, dem jede Frau und jedes Mädchen einst sehnsuchtsvolle Blicke hinterhergeworfen hatte, war ein abgehalfterter Halunke geworden. Das Strahlen seiner blauen Augen leuchtete nur noch selten auf, seine blonden Haare waren verfilzt und dunkel von Dreck und Fett. Sein Bart verbarg kaum die schorfige und gerötete Haut, und im Mundwinkel glänzten Bläschen. Aber eine gewisse Wirkung auf das andere Geschlecht hatte sich Matthias bewahren können. Frauen gehörten zu seinen großzügigsten Spendern, und er hatte immer wieder andere Bettelmädchen an seiner Seite, die bewundernd zu ihm aufsahen und ihm gewiss bei der Befriedigung seiner Gelüste gern dienstbar waren. Paulus rätselte oft, ob es am rotzigen Auftreten seines Bruders lag und an dessen derber Wortwahl. Wenn Matthias die Grenzen des Anstands überschritt, so vermutete Paulus, hängte sein Bruder andere Männer schlicht ab.
    Matthias hob die Schultern. »Wenn ich gut rieche, verdirbt mir das mein Geschäft. Oder würdest du einem Bettler Geld geben, der gerade aus der Badestube gestelzt kommt?«
    »Ich würde dir überhaupt kein Geld geben, weil ich weiß, dass du für deine Gönner kein einziges der versprochenen Gebete sprichst. Außerdem kann ich mein Geld selbst am besten gebrauchen.«
    Matthias lachte und reichte Paulus den Krug. »Hier, trink einen Schluck. Wir haben was zu feiern.«
    Paulus rümpfte die Nase. »Hier riecht es wirklich ziemlich streng. Und ich schwöre, der Duft erinnert mich nicht an Hering.«
    Er bekam ein wohliges Grunzen zur Antwort. Paulus nahm den Krug und gönnte sich einen tiefen Schluck. Es war Gruit, aber kein gutes. »Heiliger Hadrianus, du gekränkter Schutzheiliger der Bierbrauer«, rief Paulus. »Himmel, Matthias, woher hast du denn diese Brühe?«
    »Ein glücklicher Zufall, frag nicht weiter. Na ja, was heißt glücklich? Das Zeug schmeckt wie Pferdepisse. Vielleicht ist es auch welche.«
    Paulus verzichtete sicherheitshalber auf eine weitere Aufnahme des seltsamen Gesöffs. »Ich bin nur zu dir hochgeklettert, um dich abzuholen. Ich wollte mit dir in ein Wirtshaus, was essen gehen.«
    Das Grunzen ging in ein missmutiges Brummen über. »In ein Wirtshaus? Warum das denn? Ich dachte, wir bleiben hier im Hafen. Es ist so ein schöner lauer Abend.«
    Es war in der Tat fast schon schwül. Schlechte Voraussetzungen, um Matthias in ein stickiges Gasthaus zu lotsen. »Ich hab eine Überraschung für dich.«
    Matthias, der auch im Sitzen noch deutlich größer war als Paulus, blickte zu ihm herab. »Eine Überraschung? Das klingt ja eher, als hättest du eine schlechte Nachricht für mich.«
    Ein Seufzer entwich Paulus’ Brust und mit ihm ein Wort. »Barthel.«
    Matthias rückte unwillkürlich ein Stück von ihm fort. Von den Auswirkungen seines Gruitgenusses war nichts mehr zu spüren. »Was heißt das – Barthel?«
    Paulus verzog das Gesicht, als bereitete ihm das Sprechen Schmerzen. Irgendwie tat es das ja auch. »Ich hab ihn eingeladen, dass er zu uns stößt.«
    Matthias’ Augen schienen auf die Größe von Äpfeln zu wachsen. »Barthel?«
    »Barthel.«
    »Zu unserer Feier? Zu unserer Vitalisfeier?«
    Paulus nickte schuldbewusst. Matthias stützte seine Hände neben sich auf die Kiste. Beide Brüder blickten auf das Gewimmel, das auf der Kaimauer seinen Gang nahm, dahinter Masten, ein ganzer Wald von Masten, die mit ihren Schiffen in der Strömung schaukelten, wippten und wackelten, bis einem ganz schwummrig wurde.
    »Ich werde allein beim Anblick seekrank. Wie schaffst du es nur, hier zu arbeiten? Ich könnte das nicht.«
    »Du könntest nirgendwo deinen Körper in Bewegung bringen, ohne dass dir übel wird. Außerdem bist du dem Gruit zu sehr zugetan. Kein Wunder, wenn dir schlecht ist.«
    »Jetzt hörst du dich schon an wie Barthel.«
    »Es stimmt ja auch. Und es stimmt genauso, dass Barthel das hohe Ross, von dem er auf dich herabblickt, von seinem reichen Herrn Papa untergeschoben bekommen hat. Ihr seid beide in eurem Groll auf den anderen im Recht. Und damit gleichzeitig auch im
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