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Dolce Vita, süßer Tod: Kriminalroman (Inspektor Stucky) (German Edition)

Dolce Vita, süßer Tod: Kriminalroman (Inspektor Stucky) (German Edition)

Titel: Dolce Vita, süßer Tod: Kriminalroman (Inspektor Stucky) (German Edition)
Autoren: Fulvio Ervas
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auffallend farbenfrohe Pfauenhenne; auch bei ihrer Schminke hatte sie nicht mit Farbe gegeizt. Der dazugehörige Mann dagegen stand mit seinem blauen Pullover, seiner grauen Hose und den uralten Tränensäcken unter den Augen völlig in ihrem Schatten. Während sie Stucky einen Kaschmirpulli zeigte, brachte sie das goldene Geschmeide an ihren Handgelenken so zum Klimpern, als wollte sie einen verführerischen Gesang anstimmen. Verschüchtert und mit etwas steifer Hand betastete der Inspektor den Pullover; er fühlte sich duftig an, und das feine Blau ließ ihn ideal zum Flanieren im Frühling erscheinen. Der Mann sagte nichts. Er war es gewohnt, nur die Rechnungen zu überprüfen, und überließ das Umgarnen der Kunden der Sirene an seiner Seite.
    »Kaschmir ist etwas Schönes«, seufzte Stucky.
    »Und Edles«, ergänzte sie.
    »Haben Sie gehört, dass in der Stadt Verkäuferinnen belästigt wurden?«
    »Ich wollte nie Verkäuferinnen haben.«
    »Warum nicht?«
    »Mir ist meine Ware allzu lieb und teuer! Stimmt doch, Franco, oder?«
    Der Mann blätterte im Geiste ein Dutzend Rechnungen durch, bevor er nickte.

    Schöne Welt, dachte der Inspektor und bog in eine kleine Gasse ein. Ein Großteil der Emsigkeit der in Fabriken und Werkstätten Tätigen, der Lärm in den Hallen, der unablässige Verkehr der Pendler und der Lastwagen, das Surren der Maschinen und das Klappern der Webstühle, der Rauch aus den Schornsteinen und die Etiketten auf der Verpackung – dieser ganze frenetische Fluss kam erst in diesen beleuchteten Schaufenstern ganz sanft zur Ruhe. Ein Universum präsentierter Arbeiten, absichtlich nebeneinander platziert, mit dem Hintergedanken daran, wie sie auf die zerstreuten Passanten draußen wirken würden. Und dort, hinter diesen blank polierten Glasscheiben, war die Erinnerung an den ganzen Prozess, seine Störungen, seine Fehlleistungen und an all die mit ihm verbundenen Mühen vergessen. Wie von Zauberhand verwandelte sich im Schaufenster alles zur Verlockung.
    Stucky kehrte in sein Büro zurück und blieb dort, bis es dunkel wurde; in diesen Wintertagen brach die Nacht schnell herein, wenn der graue Dunst mit absinkender Temperatur kondensierte und jene berühmte feuchte Kälte mit sich brachte, die ihm so zuwider war.
    Er ging zur Piazza Borsa hinunter und dann am Fluss entlang bis auf Höhe des alten Militärbezirks, wo der Wasserlauf breiter wurde und wohin er, vom Frühjahr bis zum Herbst, gern spazierte, um den Anglern zuzusehen, die mit eleganten, weit ausholenden Wellenbewegungen die Schnur mit dem Köder auswarfen. Offen gestanden, gefiel ihm Treviso in den gemäßigten Jahreszeiten – im Mai, im September und im Oktober – besser; auch an den kühleren Junitagen hatte es seinen Reiz. Dann gab es strahlende Morgen voll wunderbarer Verheißungen, an denen man von den Tischchen der Piazza dei Signori aus die allmähliche Beschleunigung des urbanen Lebens vorzüglich beobachten konnte.
    An die steinerne Brüstung gelehnt, verweilte Stucky lange auf der Brücke. Einem plötzlichen Entschluss folgend, machte er kehrt, ging ins Zentrum zurück, dorthin, wo Signorina Gentili arbeitete, die als Erste direkt vor einem Geschäft attackiert worden war. Gleich danach begab er sich schnellen Schrittes zum Laden von Signorina Bergamin, dem Mädchen, das als Letzte telefonisch belästigt worden war. Wahrscheinlich hatte der Kerl, dem er für sich privat den Spitznamen Klema gegeben hatte, wie jeder Übeltäter, den er verfolgte, seine Fluchtwege sorgfältig gewählt. Es konnten nicht viele Geschäfte sein, die sich für derartige Spielchen anboten. Eine unauffällige Bewachung, und die Sache würde sich vielleicht von selbst erledigen.

    »Guten Abend, Dadà.«
    Onkel Cyrus stand mitten in seinem Laden. Er breitete die Arme aus, um seine Teppiche zu umarmen oder den Lichtstrahl zu kitzeln, in dem er die Staubpartikel tanzen sah.
    »Shirini?«
    »Etwas Süßes? Warum nicht?«
    »Zulbià?«
    Der Inspektor sah zu, wie der Mann ein paar filigran geformte Kringel aus einer Schachtel nahm, und ließ sich auf einem Teppichstapel nieder. Die Konsistenz, die Farben und auch den Duft dieses Gebäcks liebte er. Zu gern hätte er sich jetzt wohlig ausgestreckt.
    Onkel Cyrus schenkte unterdessen ciaj in die Gläser und enthielt sich jeder unerwünschten neugierigen Frage. Vielmehr erzählte er Stucky von dem Glas mit der Taille, kamar barik , das den Konturen des weiblichen Körpers nachempfunden war und dazu diente,
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