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Doktor Proktors Zeitbadewanne

Doktor Proktors Zeitbadewanne

Titel: Doktor Proktors Zeitbadewanne
Autoren: Jo Nesbø
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musst mich nur machen lassen und schon ist alles geklärt! Hier bitte: Will – zurückkehren – lest – da – kommt – schnell.«
    Lise schüttelte den Kopf. »Ich verstehe ›will – zurückkehren‹ und ›kommt – schnell‹, aber was meint er mit ›lest – da‹?«
    Bulle zog die Augenbrauen hoch und schaute drein wie einer, der es immer schon gewusst hat. »Hinsehen, liebe Lise, man muss genau hinsehen. Hier, der Pfeil, der führt von ›lest – da‹ zur Briefmarke. Die Karte ist wirklich eine Geheimbotschaft an uns, denn der Professor wusste, dass niemand außer mir das herausfinden würde.«
    Zum dritten Mal verdrehte Lise die Augen zum Himmel, aber Bulle tat so, als ob er es nicht bemerkte.
    »Lest da – und ein Pfeil zur Briefmarke. Das kann nur bedeuten, dass der Rest unter der Briefmarke steht. Wir müssen sie ablösen.«
    »Ich hab doch gesagt, da steckt was dahinter!« Lise sah ihn triumphierend an.
    Bulle gab ihr die Karte und meinte selbstzufrieden: »Ist doch wirklich ein Glück, dass ich mit von der Partie bin und verschlüsselte Botschaften lösen kann, was!«

2 . Kapite l
In Doktor Proktors Keller
    ises Vater, Kommandant der Festung Akershus in Oslo, der Hauptstadt Norwegens, erwachte auf seinem Sofa, den Geschmack von Zeitungspapier und Druckerschwärze im Mund. Wie üblich war er beim Zeitungslesen eingeschlafen und die »Abendpost« war ihm übers Gesicht gesunken. Er schnarchte so laut, dass die Gardinen flatterten und die Seite der »Abendpost« mit der Wettervorhersage bei jedem Einatmen in seinen Mund gesaugt wurde. Er wachte auf, schaute auf die Uhr und seufzte zufrieden, als er sah, dass es ohnehin Zeit war, ins Bett zu gehen. Aber erst noch ein Sandwich mit Hähnchensalat. Oder zwei. Er warf die Zeitung auf den Wohnzimmertisch, wuchtete seinen dicken Bauch über den Rand des Sofas und kam auf diese Weise fast automatisch auf die Beine.
    »Ja, hallo«, sagte er, als er in die Küche kam. Lise stand vor der Arbeitsfläche, neben ihr auf einem Stuhl stand Bulle, der winzige Nachbarsjunge von den seltsamen Leuten, die im Mai gegenüber in der Kanonenstraße ein gezogen waren. Vor ihnen wackelte der Wasserkocher und spuckte große Mengen Dampf aus.
    »Seid ihr nicht ein bisschen zu jung zum Kaffeetrinken?«, fragte der Kommandant gähnend.
    »Aye, aye, Signor Comandante«, sagte Bulle, »wir kochen keinen Kaffee.«
    Jetzt erst fiel dem Kommandanten auf, dass Bulle den Kippschalter des Wasserkochers gedrückt hielt, sodass das Gerät sich nicht ausschaltete, sondern weiterlief. Und seine Tochter hielt etwas Postkartenähnliches in den aufsteigenden Wasserdampf.
    »Was macht ihr da?«
    »Geh wieder raus, Papa«, sagte Lise.
    »He, ich bin hier der Kommandant!«, sagte der Kommandant. »Was treibt ihr?«
    »Bedaure, Signor Comandante«, sagte Bulle, »hier handelt es sich um etwas von höchster Geheimhaltungsstufe, und wenn wir es Ihnen verraten würden, dann wüssten Sie zu viel. Und Sie wissen ja, was man mit Leuten macht, die zu viel wissen, oder?«
    »Was denn?«, fragte der Kommandant und stemmte die Hände in die Seiten.
    »Man schneidet ihnen die Zunge heraus, damit sie nichts verraten können. Und man schneidet die Finger der rechten Hand ab, damit sie es auch nicht aufschreiben können.«

    »Und wenn ich Linkshänder bin?«, wandte der Kommandant ein.
    »Das wäre Ihr Pech, dann müssen die linken Finger auch dran glauben.«
    »Und wenn ich dann den Stift zwischen die Zehen stecke?«
    »Beide Beine ab, kurzer Prozess, Signor Comandante. Tut mir wirklich leid, aber in Geheimdienstkreisen geht es nicht gerade zimperlich zu.«
    »Das kann man wohl sagen«, seufzte der Kommandant.
    »Aber das alles ist auch für etwas gut«, sagte Bulle. »Ohne Beine kann man den ganzen Winter auf dem Sofa liegen und muss kein einziges Mal Ski laufen, Socken waschen oder Schnürsenkel binden.«
    »Das ist wohl wahr«, sagte der Kommandant. »Nur, wenn ich jetzt auf die Idee komme, den Stift zwischen die Lippen zu klemmen? Oder mit den Augen Morsesignale zu zwinkern?« »Es tut mir leid für Sie, dass Sie so etwas sagen, Signor Comandante, jetzt müssen wir Ihnen den Kopf abschneiden, da gibt es kein Pardon.«
    Der Kommandant lachte, dass sein großer Bauch nur so wackelte.
    »Schluss jetzt mit dem Unsinn, ihr zwei!«, sagte Lise. »Papa, raus mit dir! Das ist ein Befehl!«
    Als der Kommandant kopfschüttelnd hinausgegangen war, setzten sich die beiden mit der Postkarte an den Küchentisch und
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