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Doktor Proktors Zeitbadewanne

Doktor Proktors Zeitbadewanne

Titel: Doktor Proktors Zeitbadewanne
Autoren: Jo Nesbø
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Weder ist der Professor im Rentenalter, noch würde er sich so dumm verschreiben!«
    »Nein?«, fragte Bulle und kratzte sich an der linken seiner roten Koteletten.
    Lise seufzte ratlos. »Ich blicke einfach nicht durch. Man versteht nur jedes zweite Wort, der Rest ergibt überhaupt keinen Sinn!«
    Bulle lächelte überlegen. »Klare Sache, du Erbsenhirn, der Professor hat seine Juliette wiedergefunden und ist verliebt wie ein junger Hüpfer. Liebe macht bekanntlich blind, da schreibt man schon mal ein bisschen undeutlich. Dann noch der Regen – kein Wunder, dass kein Mensch das lesen kann.«
    »Jetzt reicht’s aber, Bulle«, sagte Lise streng.
    Bulle sah sie überrascht an, sagte aber nichts mehr.
    »Da steckt was dahinter«, sagte sie.
    »Ach ja?«, meinte Bulle. »Und was, bitte schön?«
    »Ich weiß nicht, aber wir müssen es herausfinden. Zum Beispiel diese Briefmarke, findest du die nicht seltsam?«
    »Nö, eine viereckige Briefmarke mit irgendeinem ernst dreinblickenden alten Kerl, was soll an der sein?«
    »Hast du nicht gesehen, was auf der Briefmarke draufsteht?«
    »Nein«, musste Bulle zugeben. Lise gab ihm wieder die Karte.
    »Felix For«, las Bulle. »Das muss der Name von dem Knilch sein. Und 1888, das war wohl die
    Jahreszahl. Bäh!«
    »Bäh?«, fragte Lise.
    »Ja, eine so alte Briefmarke anlecken müssen, widerlich...«
    »Findest du denn, die sieht aus, als wäre sie über hundert Jahre alt?«
    Bulle studierte die Briefmarke noch einmal genauer. Und er musste zugeben, dass Lise recht hatte. Abgesehen davon, dass auch die Marke ein paar Regentropfen abbekommen hatte, war sie niegelnagelneu, mit frischen Farben und deutlicher, kein bisschen abgenutzter Zähnung.
    »Vielleicht ein Druckfehler?«, überlegte er, wirkte diesmal aber nicht mehr ganz so bombensicher.
    »Glaubst du?«, fragte Lise.
    Bulle schüttelte den Kopf. »Nein, da steckt was dahinter«, sagte er.
    »Alles steht auf dem Kopf«, sagte Lise.
    »Hast du nicht eben gesagt, von hinten nach vorne?«, fragte Bulle.
    »Hab ich?«, fragte Lise.
    »Hast du.«
    »Wie genau?«
    »Dass das von hinten nach vorn zu lesen ist«, sagte Bulle.
    »Ob das was bringt?«, fragte Lise und griff nach der Karte. Sie las noch einmal genau. Und stöhnte entsetzt auf.
    »Was denn, was denn?«, fragte Bulle ungeduldig.
    »I-ich glaube, der Professor ist in Ge-gefahr«, stammelte sie, auf einmal ganz blass.
    »Bist du sicher?«
    »Ja«, sagte sie. »Jedes zweite Wort kann man verstehen, die braucht man also nicht rückwärts zu lesen. Aber wenn man sie hintereinanderliest, immer jedes zweite Wort... Hier!«
    Und Bulle las. Lies du auch, bitte schön. Und?
    ...
    Fertig?
    Ja, diesmal brauchte Bulle nichts zu erfinden. Da stand: DIES – IST – EINE – BOT – SCHAFT – FÜR – EUCH. Aber jedes zweite Wort dazwischen schien Kauderwelsch. War das am Ende die Botschaft?
    »Er will uns etwas mitteilen«, sagte Lise. »Aber er hat es verschlüsselt. Das kann nur heißen, dass er sich in Gefahr befindet!«
    »Stimmt. Und was bedeuten diese anderen Wörter?«
    Lise musterte konzentriert die Karte. Und schaute Bulle mit großen Augen an. »Ich glaube, du hattest doch recht. Momentchen noch...« Wieder wandte sie sich der Karte zu, leise murmelnd. »Rückwärts lesen...mit Französischkenntnissen angeben... Papier und Stift, schnell!«
    Mit einem Griff holte Bulle aus seiner Schultasche einen zerknitterten Zettel und einen Bleistiftstummel. Lise fing an zu kritzeln. Stolz hielt sie Bulle den Zettel hin:
    »Veux – rentrer – lisez – la – venez – vite«, stand darauf.
    »Und was soll das jetzt heißen?«, fragte Bulle. »Ist doch genauso ein Blabla wie vorher.«
    »Ich glaube nicht«, sagte Lise. »Lies mal das letzte Wort.«
    »Vite«, las Bulle vor und zuckte mit den Schultern.
    »Mensch, das ist Französisch!«, rief Lise. »Vite, das heißt schnell! Der Professor ist nicht nur in Gefahr, er ist in großer Gefahr! Es muss schnellstens etwas passieren!«
    Jetzt hatte Bulle es auch begriffen. »Ja, und zwar muss passieren, dass wir im Wörterbuch von meiner schrecklichen Schwester nachschlagen, was die Wörter bedeuten!«
    Gesagt, getan. Fünf Minuten später hatte Bulle das Französisch-Wörterbuch aus dem Zimmer seiner Schwester stibitzt und nach noch mal fünf Minuten hatten Lise und er die übrigen fünf Wörter übersetzt. Triumphierend hielt Bulle den Zettel hoch, auf dem jetzt neben den französischen Wörtern die Übersetzung stand:
    »Siehst du, du
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