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Dönerröschen

Titel: Dönerröschen
Autoren: Jaromir Konecny
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Hey! Heute schon joggen gewesen? Auf einmal starrte sie mich an. Ein paar Sekunden lang. Als wäre hier in der NORDSEE ein Pinguin aufgetaucht. Mann, oh, Mann! Was für ein Blick! Scharf wie das Laserschwert von Luke Skywalker! Sie machte ihren Mund auf, dann wieder zu und zuckte ihren Blick weg. Uff! Sie lächelte ihre Freundin voll an, mit breitem Mund, und schob sich Haarsträhnen aus der Stirn. Und plötzlich machte es KLICK in meinem Kopf: Ein Hintergrundprogramm hatte sich eingeschaltet, doch welches? Ich kam nicht drauf. Mann! Dieses Haar! Hatte ich das nicht schon mal irgendwo gesehen? Glatt und schulterlang, dunkelbraune Strähnen, die mal ins Schwarze stachen und mal ins Rote, je nachdem wie das Licht auf das Haar fiel. Sie pickte mit ihrer Gabel in einem Schollenfilet rum, als wollte sie den Fisch tätowieren, und tunkte dabei die Spitze ihres Haars in die Remouladensoße. Schwarz-weiß! Ganz klar Türkinnen. Was sonst? Aus Knoblauchgründen nichts für mich.
    Ich scannte die Preise über der Theke, holte Annes Zehner aus der Arschtasche der Jeans und hockte mich mit meinem Seelachs an den leeren Tisch neben den beiden. »Hallo, Süßer!«, rief die Spraydose, versteckte ihre Nase aber gleich wieder zwischen ihren Fritten. Die Hübsche kicherte.
    »Hi, Perlhühner!«, sagte ich, aber nur virtuell. In Wirklichkeit sagte ich gar nichts und kümmerte mich nur um meinen Fisch, bevor er wegschwimmen konnte.
    Die Hübsche flüsterte etwas. Was hat sie gesagt? Dass sie mich kennt? Blödsinn. Habe die Schnitte noch nie gesehen.
    »Der ist doch noch nicht mal fünfzehn!«, sagte ihre Freundin.
    Blöde Kuh! »Ich bin schon sechzehn!«, sagte ich.
    »Von dir reden wir nicht!«, sagte sie. Ach, so. Darauf fiel mir nichts mehr ein. Obwohl ich an krassen Sprüchen arbeiten wollte. »Gegen eine Nervensäge ist ein guter Spruch besser als ein Tritt in den Arsch!«, sagt Dok. Besser folterte ich aber jetzt mit der Gabel und dem Messer weiter meinen Seelachs. Plötzlich bebte mein Teller. Eine türkische Oma mit Kopftuch hatte sich mir gegenübergehockt, meinen Tisch gepackt und ihn zu sich gezogen. Ohne »Hallo« zu sagen. »Mahlzeit!«, sagte ich, aber auch das kümmerte die Oma krass wenig. An die Tischkante hatte sie einen brutalen Regenschirm gelehnt, obwohl es seit Wochen nicht geregnet hatte. Die Alte traute dem NORDSEE -Wetter wohl nicht. Ich ruckelte mit meinem Stuhl dem Tisch nach und beugte mich über den Teller. Die Mädels am Nebentisch fingen wieder an zu kichern. Warum? Wegen meinen Bratkartoffeln? Die schauten aus wie Steinkohle. Aber wenn Anne gemeint hatte, dass das gesund sei … warum nicht? Plötzlich wieder ein Erdbeben. Die türkische Oma hatte mir die Tischkante in den Bauch geschoben, stand auf und trippelte zur Theke. Den Regenschirm nahm sie mit. Wohl um sich eine Serviette zu holen. Warum sie statt dem Stuhl den Tisch ständig verrücken musste? Kein technischer Typ, die Alte. Zum Glück hatte ich schon alle Gräten abgeknabbert. Nichts wie weg hier! Ich stand auf. Wieder das Gekicher neben mir. »Du hast eine Serviette am Hintern!«, sagte die Hübsche.
    »Das ist keine Serviette, Sibel!«, sagte die andere. »Das ist Klopapier!« Sibel gackerte wieder. Könnte glatt einen Job als Lachpublikum bei Pro7 bekommen.
    Ich verrenkte den Hals und guckte nach hinten. Echt. Von meinem Arsch hing eine Serviette runter. Mit Remoulade an meine Jeans geklebt. »Danke!«, sagte ich, zog die Serviette weg, grinste die Suleikas an und griff nach meinem Teller.
    »Hirsiz!«, brüllte die Oma, das war wohl türkisch. Meinte sie mich? Ich schaute zu ihr und dann runter. Ups! Vor lauter Stress mit den zwei Scheherezaden am Nebentisch hatte ich mir den Teller der Alten gekrallt. Schnell legte ich ihn wieder zurück. »Sorry!!!«, murmelte ich, nahm meinen Teller und lief zum Abstellwagen.
    »Hirsiz!«, kreischte die Hexe noch mal. Ich überlegte, ob »hirsiz« auf Deutsch »Dieb« hieß, aber nicht lange. Denn gleich stieg hier Ekschn, und mir wurde klar, wozu sie den Regenschirm im Sommer brauchte. Als Waffe! »Hirsiz!«, brüllte sie noch mal und prügelte mich mit dem Regenschirm aus der NORDSEE. Die Mädchen hinter mir schüttelten vor lauter Lachen ihre Bäuche wie beim Bauchtanz. Zum Glück ging der Regenschirm am Ausgang plötzlich auf wie ein Fallschirm – ich war gerettet! Die Hexe hörte auf, mich zu schlagen, klappte das Ding zusammen und kehrte zu ihrem Fisch zurück. Wahnsinn! Krass, die Alte, oder?
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