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Dönerröschen

Titel: Dönerröschen
Autoren: Jaromir Konecny
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ausgemacht … jetzt aba …«
    »Das ist normal!«, sagte ich. »So ab zwölf Jahren kannst du deine Mutter nicht mehr riechen.«
    »Echt? Wieso?«
    »Das hat die Natur so eingerichtet. Damit es nicht zur Unzucht kommt … also wenn Jungs mit ihren Müttern poppen!«
    »Eeeh … krass eglig, Alta!«
    »Sag ich, ja!«
    »Hasdus Glotze gehört?«
    »Ne! Von Dok! Der hat’s in ’nem Buch über das Verhalten von Frauen gelesen!«
    »Wer is’ denn Dok?«
    »Mein Vater!«
    »Ey, Mann! Wieso liest der so Scheiß so?«
    »Er will meine Mutter besser verstehen!«
    »Warum? Spinnt der?«
    Im Erdgeschoss steckte der kleine Emre seinen Kopf aus der Wohnungstür. Den hatte ich schon vorgestern kennengelernt, als ich ein paar Sachen in den Keller geräumt hatte. Jetzt guckte uns Emre böse an: »Haltet die Fressen, Wichser, isch übe!« Er schlug die Tür wieder zu. Doch das Türholz konnte nicht die Metalbeats dämpfen, die aus Emres Wohnung dröhnten. Trotzdem hörten sich die Beats harmlos an – im Vergleich mit Emres Begleit-Rap:
    »Isch bin der Hengst vom Block, der Hengst,
meine Faust kommt schneller als du denkst,
oh, Baby Bitch, mach aus das Lischt,
isch ändere misch nischt!«
    Schnauze trommelte an die Tür, Emre hörte auf zu rappen. Die Tür ging wieder auf, einen Spalt breit, sodass nur Emres Nase herauslugte. »Was is’n, ihr Opfer?«
    »Wie heißt dein Label, Emre?«, fragte Schnauze.
    » Rapproduction «, sagte Emre.
    »Respekt«, sagte Schnauze.
    »Wie alt ist der Kleine?«, fragte ich vorm Haus.
    »Emre?«, sagte Schnauze. »Acht.«
    »Krass!«, sagte ich.
    »Geh’ma PEP?«

    Das PEP hockte vor uns wie die Henne auf ihren Eiern. »Magst du auch Fisch essen?«, fragte ich.
    »Nee!«, sagte Schnauze. »Besser vegetarisch. Sons disst mich Elke.«
    »He?«
    »Meine Mutta!«
    Ich seufzte. »Alles klar!« Mann! Schnauzes Mutter hieß Elke? Eine Türkin?
    Schnauze zeigte zur Döner-Bude am Parkplatz. »Ich hol mir was drüben.«
    »’nen Gemüse-Döner?«
    »Nee! Mit Kalb!«
    »Kalb ist doch nicht vegetarisch!«
    »Doch! Kalb frisst Gras!«
    »Blödsinn!«
    »In Döner is’ viel Knoblauch drin. Wenn meine Mutta meine Knoblauch-Fahne riecht, is’ sie voll zufrieden.«
    »Meine Mutter hasst Knoblauch!«, sagte ich.
    »Wieso denn?«
    »Knoblauch stinkt. Anne ist ein Feingeist!«
    »Dann solltest du keine Türkin anbaggern, Alta! In Klein-Istanbul gibt’s aba wenig andere Perlhühner.«
    »Klein-Istanbul?«
    »Na, hier bei uns so Neuperlach so!«
    »Aha!«
    »Mann, Alta, du checkst auch gar nix!«, sagte Schnauze. »Warsdu Hauptschüler oder ich?«
    »Eeeh …«
    »Döner macht schöner!«, sagte Schnauze. »Wegen Mädchen hier und so ess’ ich nur noch Knoblauch so. Komm schon, Alta. Deine Anne steck’ dich nicht Heim wegen bissl Knoblauch! Is’ doch selber Türkin!«
    »Türkin? Meine Mutter? Wie kommst du denn darauf? Die Familie meiner Mutter stammt aus Ingolstadt.«
    Schnauze lachte. »Heißt sie echt Anne?«
    »Eigentlich heißt meine Mutter Linda«, sagte ich. »Aber ich sage schon seit meiner Kindheit Anne zu ihr.«
    »Warum denn?«
    »Keine Ahnung! Vielleicht war Anne mal ihr Künstlername. Als Geigerin meine ich. Alle guten Geigerinnen heißen Anne. Wo kommen eigentlich deine Alten her?«
    »Na, aus Franken«, sagte Schnauze.
    »Echt? Du hast doch gesagt, dass du Türke bist …«
    »Schau nicht in die Vergangenheit, Alta! Schau in die Zukunft!«
    »Cooler Spruch.«
    »Is’ vom indischen Guru.«
    »Und warum …« Ich stutzte. Ach, egal, ich musste es ihn fragen: »Und warum redest du wie ein Türke, Mann, wenn deine Alten Franken sind?«
    »Ich muss mich hier in Klein-Istanbul integrieren, Alta!«, sagte Schnauze. »Hasdus nicht Glotze gehört? Integration is’ voll wichtig!« Er bretterte davon. Tja, da hatte er nicht unrecht. Wenn über den EU-Türkeibeitritt nur in Neuperlach abgestimmt werden sollte, wäre die Türkei wohl schon längst drin. Ich würde mich hier nie integrieren, wenn ich wegen meiner Mutter keinen Knoblauch essen durfte. Warum hatte Schnauze aber gemeint, dass meine Anne Türkin ist? War schon komisch, der Typ, oder?
    In der NORDSEE war nur ein Tisch frei. Neben zwei … he, he, he … Perlhühnern. Die weniger Hübsche glänzte wie ein neuer Mercedes – frisch lackiert. Wohl heute alle Haarspraydosen im Badezimmer leer gesprüht, Baby? Die Hübschere steckte in einer roten Adidas-Hose, einem weißen T-Shirt ohne Ärmel und Nike-Joggingschuhen. Sah ein bissl verschwitzt aus.
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