Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Doch du wirst nie vergessen: Roman (German Edition)

Doch du wirst nie vergessen: Roman (German Edition)

Titel: Doch du wirst nie vergessen: Roman (German Edition)
Autoren: Lesley Pearse
Vom Netzwerk:
zu tanzen.
    Aber in letzter Zeit hatte Belle durch derbe Lieder, Scherze und belauschte Gespräche die Entdeckung gemacht, dass Männer einen bestimmten Drang hatten und Häuser wie das von Annie aufsuchten, um diesen Drang zu befriedigen.
    Wie das genau ablief, hatte Belle noch nicht herausgefunden. Weder Annie noch Mog konnten zu diesem Thema befragt werden, und die Mädchen selbst hatten viel zu viel Angst, Annies Zorn auf sich zu ziehen, um Belle in irgendwelche Geheimnisse einzuweihen.
    Wenn Belle nachts im Souterrain in ihrem Bett lag, drangen die Laute fröhlicher Geselligkeit zu ihr herunter, die schwungvollen Weisen, die auf dem Klavier gespielt wurden, das Klirren von Gläsern, schallendes Lachen von Männern, das Stampfen tanzender Füße und sogar Gesang   – es klang, als ob die Leute dort oben viel Spaß hätten. Manchmal wünschte Belle, sie wäre mutig genug, sich die Treppe hinaufzuschleichen und um die Ecke zu spähen.
    Aber so sehr sie sich danach sehnte, die volle Wahrheit über das Geschäft ihrer Mutter zu erfahren, warnte sie eine innere Stimme, dass es auch eine dunkle Seite daran gab. Gelegentlich hörte sie Weinen, Wimmern und manchmal sogar Schreie, und ihr war durchaus bewusst, dass die Mädchen nicht immer glücklich waren. Oft kamen sie abends mit geröteten Augen zum Essen und verzehrten stumm und bedrückt ihr Dinner. Manchmal hatte die eine oder andere ein blaues Auge oder Blutergüsse an den Armen, und selbst an guten Tagen waren die Mädchen blass und matt. Und für Belle schienen sie keine große Sympathie zu empfinden. Mog sagte, der Grund dafür sei Neid und der Verdacht, Belle wäre Annies Spionin. Belle konnte sich nicht vorstellen, worum die Mädchen sie beneideten   – sie bekam nicht mehr als sie –, aber sie ließen sie nie an ihren Gesprächen teilhaben und hörten sofort auf, miteinander zu reden, wenn Belle hereinkam.
    Nur Millie, die älteste von ihnen, war anders. Sie lächelte Belle an und plauderte gern mit ihr. Aber Millie war ziemlich wirr im Kopf; wie ein Schmetterling flatterte sie von einem Thema zum nächsten und schaffte es nie, ein richtiges Gespräch zu führen.
    Tatsächlich war Mog Belles einzige Freundin und weit eher eine Mutter für sie als Annie. Ihr richtiger Name war Mowenna Davis, und sie stammte aus Wales. Als Belle klein war, konnte sie den Namen Mowenna nicht aussprechen und hatte stattdessen Mog zu ihr gesagt, und jetzt nannte sie jeder so. Sie hatte Belle einmal gestanden, dass sie gar nicht mehr reagieren würde, wenn jetzt jemand Mowenna riefe.
    Mog war eine unscheinbare, schmächtige Frau Ende dreißig mitmattbraunem Haar und hellblauen Augen. Seit ihrem zwölften Lebensjahr arbeitete sie als Magd im Haus. Vielleicht war ihr unscheinbares Äußeres der Grund, dass sie keine anderen Aufgaben hatte, als die Zimmer zu putzen und Feuer zu machen, und dass sie ein schwarzes Kleid mit weißer Schürze und weißem Häubchen trug, nicht bunten Satin und Bänder in den Haaren wie die Mädchen. Aber sie war als Einzige im Haus verlässlich und ausgeglichen. Sie bekam keine Wutanfälle, schimpfte und schrie nicht. Sie erfüllte ihre Pflichten mit heiterer Gelassenheit und unerschütterlicher Loyalität und Verehrung für Annie und Liebe zu Belle.
    Die Vordertür von Annies Laden befand sich in der Monmouth Street, das heißt in einer kleinen Hintergasse dieser Straße, aber nur die männlichen Besucher betraten auf diesem Weg das Haus: vier Stufen hinauf bis zur Eingangstür und von dort in die Diele und den Salon. Der Eingang, der von allen anderen Bewohnern benutzt wurde, befand sich um die Ecke in Jake’s Court, und dort ging es in den kleinen Hinterhof, dann sechs Stufen hinunter zur Hintertür und ins Souterrain.
    Mog schnitt gerade auf dem Küchentisch Fleisch klein, als Belle durch die Spülküche hereinkam. Die Küche war ein großer Raum mit niedriger Decke und gekacheltem Boden und wurde von dem riesigen Tisch in der Mitte beherrscht. An einer Wand stand ein Schrank, in dem das Porzellan aufbewahrt wurde, auf der gegenüberliegenden Seite der Herd, über dem an Haken Töpfe und Pfannen hingen. Wegen des Herds war es immer angenehm warm hier drinnen, aber weil die Küche im Untergeschoss lag, auch immer ein bisschen dunkel, und in den Wintermonaten brannte den ganzen Tag die Gasbeleuchtung. Außerdem befanden sich im Souterrain noch ein paar andere Räume, die Waschküche, Belles und Mogs Schlafzimmer und mehrere Vorratskammern sowie der
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher