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Doch du wirst nie vergessen: Roman (German Edition)

Doch du wirst nie vergessen: Roman (German Edition)

Titel: Doch du wirst nie vergessen: Roman (German Edition)
Autoren: Lesley Pearse
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würde nicht einmal reichen, um eine Jacke für einen Grashüpfer zu machen.‹«
    Belle kicherte, als sie sich die dicke Frau im Korsett bei der Anprobe vorstellte. »Und was hat sie dazu gesagt?«
    »›Ich bin noch nie im Leben so beleidigt worden‹«, äffte Jimmy Mrs. Colefax nach, indem er mit hoher Stimme sprach und tat, als ränge er nach Luft. »›Vergessen Sie gefälligst nicht, wen Sie vor sich haben‹.«
    Sie blieben kurz stehen, um den Springbrunnen auf dem Trafalgar Square zu betrachten, bevor sie die Straße zur Mall überquerten.
    »Ist der Palast nicht großartig?«, sagte Jimmy, als sie durch den Admiralty Arch gingen und den Buckingham Palace in all seiner strahlenden Pracht am unteren Ende der Mall sahen. »Ich liebe es,mich aus dem Ram’s Head zu stehlen und schöne Orte zu sehen. Das gibt mir das Gefühl, dass ich mehr verdient habe, als nur der Laufbursche meines Onkels zu sein.«
    Bis zu diesem Moment hatte Belle noch nie darüber nachgedacht, ob schöne Orte einen Menschen inspirieren könnten, aber als sie den St. James’s Park betraten und ihr auffiel, dass der Raureif kahle Zweige, Sträucher und Gras in glitzernde Wunderwerke verwandelt hatte, verstand sie, was Jimmy meinte. Fahler Sonnenschein brach durch die dicke Wolkendecke, und auf dem See glitten Schwäne, Gänse und Enten scheinbar schwerelos über das Wasser. Es war eine ganz andere Welt als Seven Dials.
    »Ich wäre gern Hutmacherin«, gestand sie. »Immer wenn ich ein bisschen Zeit habe, entwerfe ich Hüte. Ich träume von einem kleinen Laden in der Strand, aber das habe ich noch nie jemandem erzählt.«
    Jimmy nahm ihre Hände in seine und zog Belle näher zu sich heran. Sein Atem stand wie eine kleine Wolke in der klirrend kalten Luft und streifte warm ihre Wange. »Ma hat immer gesagt, dass man alles bekommen kann, wenn man fest genug daran glaubt«, sagte er. »Man muss nur gut überlegen, wie man sein Ziel erreichen kann.«
    Belle sah in sein lächelndes sommersprossiges Gesicht und fragte sich, ob er sie küssen wollte. Sie hatte in solchen Dingen keine Erfahrung; da sie ausschließlich mit Frauen aufgewachsen war, waren Jungen für sie ein Buch mit sieben Siegeln. Aber sie hatte so ein komisches Gefühl in ihrem Inneren, als würde sie schmelzen, was lächerlich war, weil sie vor Kälte zitterte.
    »Machen wir schnell eine Runde durch den Park, dann muss ich aber wirklich nach Hause. Mog wundert sich bestimmt schon, wo ich bin«, sagte sie schnell, weil das seltsame Gefühl sie nervös machte.
    Rasch überquerten sie die Brücke, die über den See führte. »Wer ist Mog?«, fragte er.
    »Na ja, man könnte sie wohl als Hausmädchen oder Haushälterin bezeichnen, aber für mich ist sie viel mehr als das«, antwortete Belle. »Es ist, als wäre sie Mutter, Tante und ältere Schwester in einem. Sie hat sich schon immer um mich gekümmert.«
    Während sie mit schnellen Schritten durch den Park gingen, redete Jimmy darüber, wie schön es im Sommer sein würde, und über Bücher, die er gelesen hatte, und über die Schule, die er in Islington besucht hatte. Er fragte Belle nicht nach ihrem Zuhause; sie nahm an, er hatte Angst, das Falsche zu sagen.
    Viel zu früh waren sie wieder im verdreckten Seven Dials, und Jimmy sagte, seine erste Aufgabe daheim wäre, seinen Onkel mit einer Tasse Tee zu wecken und dann im Keller den Boden aufzuwischen.
    »Sehen wir uns wieder?«, fragte er und sah sie ängstlich an, als erwartete er, eine Abfuhr zu bekommen.
    »Morgens um diese Zeit kann ich fast immer rausgehen«, antwortete Belle. »Und meistens auch so gegen vier Uhr nachmittags.«
    »Dann werde ich nach dir Ausschau halten«, sagte er lächelnd. »Es war schön heute. Ich bin wirklich froh, dass dir dein Haarband heruntergefallen ist.«

KAPITEL 2
    Belle kam sich fast ein bisschen verlassen vor, als sie Jimmy die Monmouth Street hinunterlaufen sah. In der letzten Stunde hatte sie sich frei und unbeschwert gefühlt, aber sie wusste, sowie sie wieder im Haus war, galt es etliche Hausarbeiten zu erledigen, unter anderem Nachttöpfe zu leeren, Kamine zu säubern und neue Feuer zu entfachen.
    Sie hatten mehr gemeinsam, als Jimmy ahnte. Er musste mit seinem reizbaren Onkel auskommen; sie hatte eine reizbare Mutter. Sie beide waren ständig von Menschen umgeben, aber es bestand kein Zweifel, dass Jimmy genauso einsam war wie sie und keine gleichaltrigen Freunde hatte, mit denen er reden konnte.
    Die Sonne, die kurz hervorgelugt hatte,
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