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Dinner for One Killer for Five

Dinner for One Killer for Five

Titel: Dinner for One Killer for Five
Autoren: Michael Koglin
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widersprüchlichen Aussagen und Finten, dieses Durcheinander von Motiven und Indizien? Jetzt aufgeben, wo er Miss Sophie und ihren Butler endlich in die Enge getrieben hatte? Nein, er musste sich auf Oggerty verlassen. Bei Gefahr würde er eingreifen. »Sind Sie bereit für das Tor der Wahrheit?«, vernahm er die Stimme von Miss Sophie.
    Ein Schlüssel drehte sich in einem schlecht geölten Schloss. Knirschend wurde eine Tür geöffnet. DeCraven spürte einen fast zärtlichen Schubs. Vorsichtig, aber bestimmt schritt er in das Unbekannte.
    Um ihn herum Dunkelheit. In der Luft hing ein beißender Geruch. Links schien sich der Raum zu öffnen, Stangen schälten sich in vagen Umrissen aus dem Dunkel. Unter seinen Füßen Stroh. Der ätzende Geruch wurde stärker. Ein Luftzug, dann das Aufblitzen zweier feuriger Lichter. Etwas Gewaltiges und Weiches schnellte auf ihn zu.

    * * *

    Oggerty wusste nicht, wie er Muriah den Zustand seines neuen Anzugs erklären sollte. Doch das kam später. Erst musste er den Chefinspektor finden, und zwar schnell! Oggerty stolperte durch eine Pflanzung von Kiefern und Zitterpappeln. Wo konnte DeCraven nur stecken?
    Plötzlich fand er sich auf dem Hauptweg wieder. Am liebsten hätte er sich unsichtbar gemacht, aber nun war er zu allem Elend auch noch Miss Sophie und ihrem Butler in die Arme gelaufen.
    »Constabler, um diese Uhrzeit noch unterwegs? Ein Polizist hat wohl niemals Feierabend?«
    »Da haben Sie Recht, Miss Sophie.«
    Sie standen in der Nähe des Tigerkäfigs.
    Oggerty sah, wie die Raubkatze ein großes Bündel durch ihren Käfig schleifte. Fauchend zerrte sie es unter einen Haufen verdorrter Äste.
    Wo er schon einmal entdeckt war, konnte er auch aufs Ganze gehen.
    »Miss Sophie, haben Sie Chefinspektor DeCraven gesehen?»
    »Ich? Aber für verschwundene Personen sind doch Sie zuständig.«
    Constabler Oggerty drehte sich um. Kein Wunder, dass die beiden sich nicht sonderlich freundlich verhielten. Der Chefinspektor hatte sie ja geradezu auf dem Kieker. Manchmal wusste er nicht so recht, ob DeCraven da nicht etwas übertrieb.
    Miss Sophie hielt ihn zurück.

    »Glauben Sie an Seelenwanderung, Constabler Oggerty? Vielleicht von Tier zu Mensch? Oder umgekehrt?«
    »Ich bin ein guter Anglikaner, Miss Sophie.«
    »Was werden wir im nächsten Leben machen? Ist das nicht eine wirklich spannende Frage, Constabler Oggerty?«
    Miss Sophie deutete auf den Raubtierkäfig.
    »Sehen Sie, der Tiger!»
    »Ja, verhält sich irgendwie seltsam, geradezu feindlich. Dieses Brüllen und dann die blitzenden Augen... Als wollte er uns etwas sagen.«
    »Ja«, sagte Miss Sophie. »Ein reizendes Tier, nicht wahr? Sehen Sie nur, es sieht aus, als würde er mit seinen Fressknochen einen Kricket-Parcours bauen. Wie niedlich.«
    An irgendetwas erinnerte Oggerty dieser leuchtend blaue, ja fast grelle Stofffetzen, mit dem der Tiger spielte. Aber er konnte sich im Moment nicht daran erinnern, wo er ihn schon mal gesehen hatte. Im Mondlicht konnte er darauf Flecken erkennen.
    »Stoffreste zum Herumzerren«, erklärte Miss Sophie. »Gut für die Zähne.«
    »Sind das Blutflecke da auf dem Stoff?«, erkundigte sich Oggerty.
    »Dann bringt es dem Tigerchen mehr Spaß. Tierpsychologie, Constabler.«
    »Und dieser runde Gegenstand, den er jetzt durch seinen Käfig schießt?«
    »Sicher eine Kniescheibe. Diese Tiere sind wirklich sehr verspielt.«
    Miss Sophie wandte sich an James. Der schnitt dem Tiger eine Grimasse.
    »James, eines Tages werden wir dieses herrliche, stolze Tier zu uns nehmen.«
    James schüttelte abwehrend mit den Kopf.
    »O nein, Miss Sophie, solch ein wildes Tier...«
    »Ich denke, er wird sich gut vor dem Kamin machen.«
    James nickte ergeben.
    »Sicher, Miss Sophie. Vor dem Kamin.«

    * * *

Über den Autor

    Michael Koglin, geboren 1955, lebt seit fast dreißig Jahren in Hamburg. Vor, während und nach dem Studium betätigte er sich u. a. als Lagerarbeiter, Reißwolf-Bediener, Videofilm-Vorführer, Kraftfahrer, Bildungsarbeiter, Schauermann, Politologe, Friedensforscher, Kaffeeröster, Preisauszeichner und Privatsekretär (von Hans Eppendorfer). Heute ist er freier Journalist (Mare, Brigitte, YOYO, NDR, Zeit u. a.) und Schriftsteller mit einem literarischen Gemischtwarenladen. Neben Kriminalromanen verfasste er Kurzgeschichten, Kinder- und Sachbücher. Mehrfach wurde er mit dem Hamburger Literaturförderpreis ausgezeichnet. Weitere Infos unter: www.Michael-Koglin.de



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