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Diesen Partner in den Warenkorb legen

Diesen Partner in den Warenkorb legen

Titel: Diesen Partner in den Warenkorb legen
Autoren: Annabel Dilling
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Bestimmt zwei Stunden lang habe sie versucht, mit ihrer Schulfreundin ein Gespräch zu führen. Vergeblich, dauernd plärrte das Baby. »So ist das eben mit kleinen Kindern, ich versteh das ja, nur hätte ich Sabine wirklich gerne von dem Problem mit meinem Chef erzählt«, sagt Barbara.
    Irgendwann sei Philipp von der Arbeit gekommen, habe das quäkende Bündel genommen und strahlend hochgehoben. Ein Moment vollkommenen Glücks, der Barbaras Inneres freilegte, als hätte jemand einen Reißverschluss geöffnet.
    »Ich habe die Situationen kaum ausgehalten, mir wurde so klar, wie weit ich von diesem Leben entfernt bin und wie wenig Zeit mir noch bleibt, selbst eine Familie zu gründen.« Nachdem Philipp sie am Ende des Abends an der S-Bahn abgesetzt hatte, konnte sie sich nicht länger zusammenreißen: »Ich habe die ganze Rückfahrt geheult.«
    Barbara fällt es schwer, darüber zu sprechen, warum es bei ihr in der Liebe nicht klappt. Sie hatte große Vorbehalte vor unserem Interview. Ich musste ihr versprechen, dass ich alles weglasse, was sie für andere erkennbar machen könnte – ihren echten Namen, ihre Jobbezeichnung, ihr Aussehen, ihren Wohnort. Diese Art journalistischer Kronzeugenregelung gibt es sonst nur bei Drogendealern und Geheimdienstquellen. Aber bei einem ganz normalen deutschen Single?
    Es ist schon erstaunlich: Neben dem gesellschaftlichen Imperativ, eine möglichst lückenlose Erwerbsbiografie vorzuweisen, gibt es in unserer Gesellschaft offenbar auch die implizite Forderung nach einer klassischen Beziehungsbiografie. Dauerhaft Single zu sein, ist darin nicht vorgesehen. Mir fällt kein einziger Politiker, Konzernchef oder sonst wie prominenter Mensch ein, der bekennender Junggeselle ist. Schon das Wort »bekennen« in diesem Zusammenhang ist bezeichnend: Soziologen sprechen von einer »Begründungspflicht« für Singles. Niemand würde einen Familienvater fragen, warum er ein Kind bekommen hat. Ein Single muss erklären, warum er alleinstehend ist.
    Dieser Druck, der »die Welt zu Paaren treibt«, hat Folgen: Spätestens mit Mitte dreißig stellt sich nicht nur für die von der biologischen Uhr gestressten Frauen, sondern für alle Singles die Frage: Wie will ich leben? Kaum ein Alleinstehender in dieser Altersgruppe lebt einfach so in den Tag hinein: Die meisten haben wie Barbara, die von einer Familie träumt, eine genaue Vorstellung davon, wie sie sich in fünf, zehn, fünfzehn Jahren sehen; wie sie von anderen gesehen werden möchten. Und damit müssen sie auch die Frage für sich beantworten, wie ernsthaft sie den Lebensentwurf Partnerschaft verfolgen.
    Wer heute mit Mitte dreißig Single ist, kommt kaum umhin, eine Einstellung gegenüber einer Industrie zu finden, die nur zu gern (und gegen ziemlich viel Geld) den vermeintlichen Mangel des Single-Seins beheben möchte. Liebesglück ist machbar, das ist die Kernbotschaft der Partnerbörsen und Flirtportale, die auf Plakatwänden, im Fernsehen und auf Nachrichtenseiten wie Spiegel.de oder ZEIT online werben. Viele Singles nehmen ihre Partnerlosigkeit erst in dem Moment als Problem wahr, wo unzählige Anbieter auf den Plan treten und suggerieren: Dir fehlt etwas im Leben.
    Hinter den unzähligen Verkupplungsangeboten steht letztlich eine entscheidende Frage, die jeder für sich klären muss: Ist die Liebe etwas, das einem widerfährt, auf das man wartet, bis der berühmte Blitz einschlägt? Oder kann man die Wahrscheinlichkeit erhöhen? Kann man etwas für die Liebe tun – so wie man heute auch etwas für seine Karriere oder seinen Körper tut ?
    Schmetterlinge ohne Ende – Warum wir uns heute bis ins hohe Alter verlieben
    Es ist Donnerstag, ein warmer Sonnentag im Oktober. Das Ehemaligenwochenende an der Eliteuniversität Stanford steht bevor. Auf dem Campus im kalifornischen Palo Alto wimmelt es von Parkwächtern, die die Anreisenden einweisen, von herausgeputzten älteren Leuten und Studenten, die Getränke auf Tabletts balancieren.
    Ich bin mit Michael J. Rosenfeld verabredet, einem Soziologieprofessor, der gerade an einer der weltweit größten Studien über das Kennlernverhalten von Erwachsenen forscht. Er untersucht, wie das Internet die Beziehungen von Millionen von Amerikanern beeinflusst. Von ihm hoffe ich mehr darüber zu erfahren, wie sich die Liebe verändert hat.
    Die vorherrschende Lebensform in nahezu allen westlichen Ländern ist die Paarbeziehung auf Zeit. Soziologen nennen diese Abfolge von Partnerschaften »serielle
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