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Diebe

Diebe

Titel: Diebe
Autoren: Will Gatti
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aus’m Schneider, schätz ich«, murmelt Demi, indem er vorsichtig seinen verletzten Arm streckt und die Schultern rollt. »Bist klein, aber du hast ’n schweren Kopf, Baz«, sagt er und zuckt dann zusammen, weil er aus Versehen den schlimmen Fuß belastet hat.
    »Du bestehst einfach nur aus Knochen, Demi. Mein Nacken ist ganz steif, weil deine Schulter ja wohl echt das Übelste ist, wo ich je meinen Kopf draufgelegt hab.«
    Er schnieft geringschätzig, dann zieht er einen kleinen Beutel hervor, der im Bund seiner Jeans steckte, und schaut hinein.
    »Was is das?«
    »Hab’s dir doch gesagt. Fay hat ’n Haufen Dollars abgedrückt, bevor ich aus’m Fenster raus bin. Hat’s mir richtig aufgedrängt. War auch nicht sauer wegen dem Ring – dass du ihn genommen hast. Dachte, sie würde Hackfleisch machen aus uns. Sie meinte immer wieder, das wäre alles nicht so wichtig, Baz. Wollte nur, dass ich wegkomme.«
    »Fay hat neue Geschäfte«, sagt Baz. »Vielleicht ist alles, was wir gemacht ham, nur noch Kleinkram für sie.«
    Demi steckt den Beutel zurück. »Kann sein, aber sie hat uns verdammt viele Dollars gegeben ...« Er strafft die Schultern, schnieft, spuckt aus – der tougheste Straßenjunge der Stadt.
    Hätte Baz ihn näher beobachtet, anstatt sich ihre eigenen Gedanken über Fay zu machen, würde sie seinen Versuch, den harten Mann zu markieren, durchschauen. Stattdessen sagt sie: »Sie hat ihre Gründe. Fay hat immer Gründe für das, was sie tut.«
    »Oh, vielleicht weißt du doch nicht so gut Bescheid, Mädchen.«
    Baz zuckt mit den Schultern. »Möglich.« Sie blickt in Richtung Barrio, wo sich ein öliger Rauchfinger in den Himmel hakt.
    »Okay.« Er schaukelt auf den Zehen. »Wir müssen los. Leute kommen, um aufzubauen. Gehn wir, Baz, dann schaffen wir den frühen Zug. Was sagst du?«
    »Okay. Nehmen wir die Straßenbahn vom Agua?«
    »Agua geht am schnellsten, aber wir müssen aufpassen. Wenn sie uns sehn, machen sie uns kalt. Keine Frage, du weißt, was ich mein. Das Mindeste, was sie tun werden, ist, uns kopfüber in den Schlamm zu stecken, wo du sie reingeführt hast. Das sag ich dir gratis.«
    »Demi, kein Mensch würde Geld bezahln für das, was du sagst.«
    Sie verlassen den Markt, als die ersten Bauern und Standbetreiber eintreffen. Manche schieben Karren aller Art vor sich her, andere kommen in verbeulten dreirädrigen Transportern. Keiner von ihnen achtet auf ein Paar von dreckstarrenden Streunerkindern, denn die sind nicht ungewöhnlicher als hungrige Hunde, und die Stadt ist voll von streunenden Hunden.
    Sie gehen los, Demi immer noch ein bisschen humpelnd, aber es ist nicht weit und er beklagt sich nicht. Sie machen nur einmal halt, um sich Brot und Kaffee zu kaufen, wobei Demi das Risiko eingeht, in einem Imbiss, der frühmorgens schon geöffnet hat, mit einem Fünfziger zu bezahlen, doch der Besitzer ist noch immer so angeschlagen vom Rumgenuss der vorigen Nacht, dass er sich damit begnügt, den Schein gegen das Licht zu halten, um zu sehen, ob er echt ist, und ein bisschen vor sich hin zu grummeln, dass ihm jetzt das Wechselgeld schon ausgehen würde, bevor der Tag überhaupt anfängt. Nachdem sie gegessen haben, machen sie sich auf zum Agua-Platz.
    Demi wendet sich in Richtung Straßenbahnhaltestelle, aber Baz fasst ihn am Arm. »Guck mal.« Sie zeigt über den Platz zum Hauptzugang ins Barrio. »Da ist irgendwas los.«
    Die Polizei ist natürlich da, aber sie wirken alle ziemlich entspannt und locker, als sei die Schlacht geschlagen, der Krieg gewonnen. Sie stehen in kleinen Gruppen herum, mit hochgeklappten Visieren, trinken Kaffee, kauen irgendwelches Gebäck, unterhalten sich, schlendern manchmal zur Absperrung hinüber, die sie errichtet haben, um die Stadtbewohner fernzuhalten, die gekommen sind, um zuzusehen, wie dem Barrio die Zähne ausgeschlagen werden. Bislang ist es noch eine überschaubare Menge, ein paar Frühaufsteher, die nichts anderes im Sinn haben, als sich am Leid anderer Menschen zu erfreuen.
    Baz und Demi gesellen sich dazu. Demi, der eben noch zum Aufbruch gedrängt hat, wird wie von einem Magneten vorangezogen, schlängelt sich durch die Schaulustigen, bis er vorn angelangt ist. Baz folgt ihm. Sie hofft, dass Lucien schon aus dem Barrio heraus ist. Sie lässt sich die Uhrzeit von Demi sagen, es ist halb acht. Falls Lucien in irgendwelche Aktionen verwickelt wird, die die Polizei möglicherweise plant, wird er ihren Zug nicht erreichen. Was werden sie dann tun?
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