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Diebe

Diebe

Titel: Diebe
Autoren: Will Gatti
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ganzen Teller mit Wurst, so hoch, dass kein Hund drüberspringen kann«, murmelt sie.
    »Fettsack-Gebäck, Baz. Wenn ich mal reich bin, ess ich nix andres als Fettsack-Gebäck.«
    »Ich werd nie mit ’nem Fettsack zusammenarbeiten, Demi. Fettsäcke bleiben stecken, wenn sie durch ’ne enge Gasse rennen, bleiben stecken, wenn sie durch ’ne Tür gehn. Wenn du fett werden willst, such dir ’ne neue Partnerin.«
    Sie rollt sich neben ihm zusammen, legt einen Arm unter ihren Kopf und schließt die Augen. Sie hat ein Gefühl von Sicherheit, die Nacht ist warm, jegliche Probleme scheinen weit weg.
    Lange schweigen beide, und Baz ist schon fast eingeschlafen, als Demi sagt: »Sie wollte mir Geld geben, Baz. Hat keinen Wirbel um den Kasten gemacht, hat nur versucht, mir einen Haufen Dollars in die Hand zu drücken. Grade als ich aus dem Fenster raus bin – genau so war’s.« Seine Stimme scheint aus großer Entfernung zu kommen.
    »Das ist gut, Demi«, bringt sie noch heraus. »Wir brauchen Dollars für die Zugfahrt.«
    Doch sie hört ihn nicht mehr sagen: »Darum geht’s nicht, Baz, das ist nicht das, was ich dir sagen will«, denn da ist sie schon eingeschlafen.

29
    Dunkelheit. Höllenschwarze Dunkelheit. So dicht und schwarz, dass Baz absolut nichts sehen kann. So dicht, dass sie sich für einen Moment fragt, ob sie tot und begraben ist, in einem Armengrab tief unter dem Barrio, aber da ist irgendwas Weiches und Warmes unter ihrem Kopf, und obwohl sie so blind ist wie eine Ratte im Ruhestand, weiß sie, dass es Demis Schulter ist. Sie weiß, wo sie sind. Sie bettet ihren Kopf um und macht die Augen wieder zu.
    Dann hört sie die Stimmen.
    Stimmen und Schritte. Das Scharren von über den Boden gezogenen Holzkisten, von zur Seite getretenem Gerümpel.
    »Bei dir irgendwas?«
    »Nichts.«
    Ein Windstoß bewegt die Plastikabdeckung des Standes, unter dem sie ihr Nachtlager errichtet haben. Staub fegt herein, beißt ihr ins Gesicht. Demis Hand spannt sich um ihren Arm.
    Polizei? Männer vom Fluss? Eduardos Männer?
    Ein Mann, der leise spricht. Dann Stille. Dann erneutes Sprechen. Handy. »Nein. Nichts ... Ja. Machen wir.« Klick. Zuklappen eines Handys.
    »Vamos.« Eine Stimme, so trocken wie altes Leder.
    Sie hält den Atem an. Bei Demi das Gleiche – gespannt wie eine Falle, nur dass sie diejenigen sind, die in der Falle sitzen. Die ganze Stadt fühlt sich für Baz inzwischen wie eine Falle an, so viele Straßen, die sich mit anderen Straßen, Plätzen und kleinen Gassen kreuzen. Einst konnten sie und Demi überall hingehen, frei wie die Könige, und selbst wenn ein Opfer ihnen auf die Schliche kam und sie rennen mussten, war das Rennen ganz leicht: Jede Ecke war ihr Freund, jede Gasse sicher, jede Straßenbahn eine Fahrgelegenheit heim ins Barrio. Jetzt malt sie sich aus, dass all diese Straßen wie ein Netz über ihr hängen. Und in jeder gibt es einen Schattenmann, der auf der Lauer liegt, einen Polizisten, der Streife geht, oder eine Kamera, die alles ausspioniert. Sie wünschte, sie wäre wieder klein, so klein, dass nicht einmal ein Hund sie beachten würde, wenn sie an ihm vorbeigeht.
    Sie hören, wie sich die Männer entfernen. Doch noch warten sie ab, lauschen jedem kleinsten Geräusch nach, bis sie sicher sind, dass die Gefahr vorbei ist.
    Demi rührt sich als Erster, dreht sich auf die Seite, hebt den Rand der Plastikplane an und kriecht dann auf dem Bauch nach draußen. Baz folgt und hockt sich neben ihn.
    Es ist noch dunkel, doch das erste Grau der Morgendämmerung macht sich bemerkbar. Rund um sie herum erstreckt sich der Markt, die leeren Stände sind wie schattenhafte Inseln in einem Meer. Von den Männern ist nichts mehr zu sehen. Vielleicht haben sie die ganze Nacht lang das Barrio abgesucht und hatten jetzt einfach die Nase voll. Vielleicht haben sie herauszufinden versucht, wo sie und Demi hinlaufen würden. Fay könnte es ihnen sagen. Mit Geld in der Tasche, das wäre ihr klar, würden sie die Stadt verlassen wollen, vom Norte-Bahnhof aus, irgendwo hinfahren, wo es Swimmingpools und ein angenehmes Leben gibt. Ja, Fay würde das wissen, aber Baz glaubt nicht, dass sie es verrät, es sei denn, sie würde dazu gezwungen.
    Auch Lucien könnte es verraten. Falls jemand erkannt hat, dass er es war, der beim Krankenhaus auf dem Motorrad gesessen hat, würden sie ihm die dünnen Arme ausreißen, aber sie glaubt trotzdem nicht, dass Lucien ihnen irgendetwas erzählen würde. Nie im Leben.
    »Wir sind
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