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Die zweite Wirklichkeit

Die zweite Wirklichkeit

Titel: Die zweite Wirklichkeit
Autoren: Vampira VA
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Lancaster. »Zumindest mehr als wir.«
    »Aber Lilith ist unsere Tochter, und niemand sollte sich besser in sie einfühlen können als wir.«
    »Mag sein«, entgegnete ihr Vater. »Andererseits kann es auch nicht schaden, wenn er sie sich einmal unauffällig ansieht, oder?«
    »Nun, das wohl nicht«, stimmte Creanna zu.
    »Ich bin nicht verrückt!«
    Lilith stürmte das Speisezimmer förmlich, aufgebracht und zugleich verletzt durch die Unterhaltung, deren Zeugin sie geworden war.
    »Kindchen, das behauptet doch auch niemand«, sagte ihre Mutter und lief ihr mit halb ausgebreiteten Armen entgegen. Lilith ließ sich jedoch nicht von ihr umarmen, sondern trat demonstrativ einen Schritt zurück.
    »Aber ihr glaubt es«, erwiderte sie hart. »Und nenn mich bitte nicht Kindchen, Mutter. Ich bin .«
    . .. über hundert Jahre alt!
    Lilith sprach die Worte nicht aus. Zum einen, weil sie ihr einfach nicht über die Lippen kamen, obwohl sie fast spürbar und wie ein übler Geschmack auf der Zunge lagen; zum anderen, weil ihr das Entsetzen die Stimme versagen ließ - Entsetzen darüber, daß die alberne Altersbehauptung wie etwas völlig Selbstverständliches in ihrem Bewußtsein war, abrufbereit.
    Creanna lächelte milde. »Sieben oder siebzehn Jahre, was macht das schon für einen Unterschied? Meine Tochter wirst du immer bleiben, Lilith - mein >Kindchen< eben.«
    Lilith senkte den Blick. »Ich hab's nicht so gemeint, entschuldige. Aber - ich bin nicht verrückt, das müßt ihr mir glauben.«
    Ihren Worten fehlte die rechte Überzeugungskraft, weil Lilith in sich selbst nicht genügend davon fand. Nur Zweifel waren da .
    »Natürlich glauben wir dir.« Sean Lancaster trat zu ihnen und zog sie beide in seine Arme. »Aber vielleicht kann unser Freund Brian dir helfen, besser zu verarbeiten, was dich bedrückt«, meinte er.
    »Ich lege mich nicht auf die Couch eines Psycho-Docs«, erklärte Li-lith trotzig.
    »Das verlangt doch auch niemand von dir«, erwiderte Creanna. »Vielleicht würde es ja schon genügen, wenn du uns erzähltest, was mit dir los ist?«
    Lilith löste sich aus dem Griff ihres Vaters. Vor dem Fenster blieb sie stehen, sah hinaus in den üppig grünen Garten, in die goldgesprenkelten Schatten der Baumkronen, in denen Vögel zirpten und turtelten - in eine Welt, wie sie heiler nicht sein konnte.
    Dem Anschein nach. Denn zum ersten Mal in ihren Leben kam es Lilith vor, als wäre alles, was sie sah, nicht mehr als eine Maske; etwas wie eine dünne Schicht, auf die all diese Bilder nur aufgemalt waren. Dahinter mochte sich etwas ganz anderes verbergen; all das, was eigentlich in diese Welt gehört hätte, aber aus ihr verbannt worden war, weil es die perfekte Harmonie gestört hätte. Hinter dieser Wirklichkeit lag vielleicht eine andere - und Lilith war fast sicher, daß es sich dabei um jene handelte, in die ihr Traum sie geführt hatte.
    Sie zwinkerte zwei-, dreimal, als müßte sie den Schlaf aus ihren Augen blinzeln - und die scheinbare Künstlichkeit der Welt da draußen verschwand. Übergangslos stellte sich jene Natürlichkeit an, die Lilith seit jeher kannte. Und jeder Gedanke, daß es anders sein könnte, erschien ihr mit einemmal lächerlich.
    So lächerlich wie ihr Traum .
    »Es ist . albern«, sagte sie und wandte sich wieder zu ihren Eltern um, ein zaghaftes Lächeln auf den Lippen.
    »Erzähl's trotzdem«, verlangte ihr Vater freundlich.
    »Es ist . Ich habe in der Tat schlecht geträumt«, sagte sie.
    »Wovon?« wollte ihre Mutter wissen.
    Lilith zögerte zwei oder drei Sekunden, suchte nach den richtigen Worten.
    »Von einer anderen Welt«, antwortete sie dann. »Von einem anderen Leben.«
    Sean Lancasters linke Braue wanderte eine Winzigkeit nach oben. Ein feines Lächeln kräuselte seine Lippen und ließ seinen dunklen Bart kaum hörbar knistern.
    »Was war das für ein Leben?« fragte er, und für einen flüchtigen Moment meinte Lilith wieder jene fremde Aura um ihn zu spüren, wie vorhin schon oben im Badezimmer. Das hieß, sie spürte sie nicht einmal wirklich. Lediglich die Gänsehaut, die über ihre Arme rieselte, machte sie darauf aufmerksam - oder weckte zumindest die unangenehme Erinnerung daran.
    »Es war ...«, setzte Lilith mit einem grimassenhaften Lächeln an, ». meine Güte, es ist so lächerlich.«
    Und sie war sicher, daß es richtig peinlich werden würde, sobald sie die Worte erst einmal ausgesprochen hatte!
    Der Blick ihrer Mutter signalisierte ihr, daß sie unbesorgt sein
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