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Die zweite Wirklichkeit

Die zweite Wirklichkeit

Titel: Die zweite Wirklichkeit
Autoren: Vampira VA
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hundertprozentig überzeugt war.
    Und das war sie!
    Weil sie es sein wollte!
    Alles war in bester Ordnung. Dies war ein Morgen wie jeder andere, dem ein Tag wie jeder andere folgen würde. Und mit jeder einzelnen Minute dieses Tages würde der böse Traum ein bißchen mehr verblassen - und an Macht verlieren?
    »Er hat keine Macht über mich!«
    Trotzig öffnete Lilith die Tür zum Badezimmer - wie sie es jeden Morgen tat. Und wie jeden Morgen würde sie sich jetzt die Zähne putzen (Vor allem die Eckzähne, kicherte das Stimmchen), und ...
    Lilith verharrte erschrocken. Nebel füllte den Raum, warm und stickig. Und hinter dem Grau bewegte sich etwas.
    Wasser tropfte. Dann klang ein anderes Geräusch auf. Ein dumpfes Rumpeln, ganz kurz nur, gefolgt von feuchten Schritten.
    Jemand trat aus dem Nebel auf Lilith zu. Entsetzt aus einem Grund, den sie nicht kannte, und wie gelähmt starrte sie der Gestalt entgegen.
    »Guten Morgen, mein Schatz«, sagte ihr Vater. Und dann: »Hast du schlecht geträumt?«
    *
    Daß sich der Tonfall ihres Vaters verändert hatte, wurde Lilith erst bewußt, als sie seinen sorgenvollen Blick wie eine zärtliche Berüh-rung spürte. Im allerersten Moment hatte sie den Eindruck gehabt, er hätte im selben gutgelaunten Ton, in dem er ihr einen guten Morgen gewünscht hatte, auch gefragt, ob sie schlecht geträumt hatte -als würde er sich darüber freuen, wenn es so gewesen wäre .
    »Wie kommst du darauf?« fragte sie verwirrt.
    Sean Lancaster war ein Mann, nach dem Frauen sich schon einmal umdrehten: groß, kräftig, aber nicht übertrieben muskulös, eher sehnig. Sein sorgsam gestutzter Vollbart unterstrich noch die markanten Züge seines Gesichtes.
    Selbst seine Tochter hatte ihn stets für einen gutaussehenden Mann gehalten - bis heute, bis zu diesem Moment, da er aus der Duschkabine hervorgetreten war und auf sie zukam. Dabei hatte er sich nicht wirklich verändert, sah man von seinem nassen Haar und den Wasserperlen ab, die glitzernde Spuren über seine nackte Haut zogen. Aber irgend etwas war anders, meinte Lilith - etwas, das ihn unsichtbar umflorte, wie eine Aura aus Kälte und etwas anderem, für das sie nicht das rechte Wort fand.
    Einen Schritt vor ihr blieb er stehen, sie um Haupteslänge überragend. Er streckte die Hand vor, und Lilith erschauerte unter der bloßen Erwartung seiner Berührung.
    Kalt würde sie sein, eisig kalt, wie das, was ihren Vater umgab, und die Kälte würde auf sie übergreifen, sie durchfließen und .
    ... und dann war es vorbei.
    Warm und sanft war die Berührung seiner Hand; wie eine laue Sommerbrise strich sie über ihre Wange und drängte die unangenehme Kälte, die allein in ihr war (und sonst nirgends!) ein Stück zurück, dorthin, wo sie Lilith nichts mehr anhaben konnte.
    Sie faßte nach seinen Fingern, hielt sie fest, küßte behutsam seinen Handballen.
    »Danke«, flüsterte sie.
    »Wofür denn?« stutzte Sean Lancaster.
    Lilith schloß die Augen. »Dafür, daß du da bist.«
    Sie schlang ihre Arme um seinen Oberkörper und drückte sich gegen ihn, so fest, als wollte sie sich in ihm verkriechen, weil er ihr Schutz bieten würde vor allem Übel. Und ein kleines bißchen war es auch so. Das Gefühl seiner Nähe half ihr zu vergessen - und zurückzufinden in die Wirklichkeit, in die tatsächliche Welt, fort von der, die ihr der böse Traum vorgegaukelt hatte. Weg von diesem anderen, diesem furchtbaren Leben, das sie im Schlaf hatte durchmachen müssen.
    »Das werde ich immer sein«, sagte ihr Vater.
    »Ich weiß«, erwiderte sie.
    »Ist wirklich alles in Ordnung?« fragte er.
    »Alles in Ordnung«, antwortete Lilith. Wie immer, ergänzte sie, jedoch nur im stillen.
    »Nun gut«, meinte er und drängte seine Tochter sanft von sich. »Dann beeil dich. Deine Mutter wartet mit dem Frühstück auf uns.«
    »Ja, das tu ich.«
    Sie hauchte ihrem Vater einen Kuß aufs bärtige Kinn und schlüpfte unter die Dusche. Obwohl sie eben noch versprochen hatte, sich zu beeilen, ließ sie sich an diesem Morgen besonders viel Zeit. Weil sie den eigentümlichen Zwang verspürte, ihren Körper ganz besonders gründlich säubern zu müssen. Weil sie glaubte, etwas läge auf ihrer Haut - hauteng im wahrsten Sinne des Wortes und hauchdünn, aber ungemein hartnäckig, wie etwas Klebriges.
    Unter dem heißen Wasser stehend, rubbelte Lilith so heftig über ihre Haut, als litte sie unter juckendem Ausschlag, doch das seltsame Etwas ließ sich nicht abwaschen. Es war .
    . ..
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