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Die zerbrochene Welt 02 - Feueropfer

Die zerbrochene Welt 02 - Feueropfer

Titel: Die zerbrochene Welt 02 - Feueropfer
Autoren: Ralf Isau
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Kleidertruhe war umgefallen, der Deckel aufgesprungen und der Inhalt über den Boden verstreut worden. Tisch und Stühle lagen ebenfalls auf den Dielen. Die Wandregale waren herabgefallen und die meisten Teller zerbrochen.
    Vom Ausmaß der Zerstörung überwältigt umfasste Shúria den Sternensplitter, der an einem Halsband aus Leder über ihrem Herzen hing. Vor vielen Jahren hatte ihr Taramis den schwarzen Meteoriten geschenkt. Ihm wiederum war er vom Seher Veridas anvertraut worden, der Shúria auf der Insel Luxania zuvor in die Kunst des Prophezeiens eingeführt hatte. Leider war sie trotz ihrer Gabe der Vorausschau vom heutigen Unglück überrascht …
    Unvermittelt ging ein Ächzen durchs Haus, das ihr eine Gänsehaut bescherte. Jeden Augenblick konnte hier alles zusammenbrechen.
    Schnell klaubte sie ein paar Decken und Kleidungsstücke zusammen und trug sie zur Tür. »Bring die Sachen zwölf Schritte vom Haus weg, leg sie hin und komm dann gleich wieder zurück«, befahl sie ihrem Sohn. Während er mit dem Wäschestapel loslief, wandte sie sich erneut dem Chaos im Gebäude zu …
    Neben ihr krachte es. Ein Stamm hatte sich aus der Wand gelöst und war herabgefallen. Dadurch gerieten andere Balken ins Rutschen. Staub rieselte von der Decke herab.
    Fieberhaft überlegte Shúria, was sie und ihr Sohn am dringendsten zum Überleben brauchten: Proviant, Werkzeuge, Heilkräuter, etwas Ess- und Kochgeschirr. Waffen. Das Wichtigste zuerst, die anderen Dinge später. So würde sie es machen.
    Während das Haus in fortschreitender Auflösung begriffen war, hetzte sie zwischen den beiden Räumen und der Tür hin und her. Ari nahm ihr alles ab, was sie ihm gab. Zuletzt blieben nur noch Malmath und Schélet übrig, das Schwert und der Schild ihres Mannes.
    »Bleib bitte, Mama!«, flehte Ari. Auch ihm war klar, dass jederzeit ein Unglück geschehen konnte.
    Shúria neigte sich ihm zu und nahm sein Gesicht in die Hände. »Mir passiert schon nichts, kleiner Löwe. Vertrau mir. Ich bin doch eine Seherin.«
    Ein letztes Mal verschwand sie im Haus, das inzwischen wie ein lebendes Wesen im Todeskampf knarzte und ächzte. Die Waffen befanden sich im Schlafzimmer, das sich die Familie teilte. Wer konnte schon wissen, ob die winzige Scholle mit dem Gehöft nicht die Aufmerksamkeit von Piraten erweckte? Taramis hatte seiner Frau beigebracht, wie sie sich mit dem Schwert verteidigen konnte, falls in seiner Abwesenheit einmal zwielichtiges Gesindel den Hof besuchen sollte. Shúria würde wie eine Löwenmutter kämpfen, sollten sie ihrem kleinen »Löwen« – das war die Bedeutung von Aris Namen – auch nur ein Haar krümmen. Allein Malmaths Anblick mochte einen Angreifer das Fürchten lehren. Mit seiner legendären, blau schimmernden Klinge hatte Taramis einst den König der Kirries getötet.
    Die Waffe war von der Wand gefallen, die lanzettfeine Spitze stak in einer Bodendiele. Es kostete Shúria einige Mühe, sie aus dem Eichenholz zu befreien. Zu ihren Füßen lag der oval geformte, leicht gewölbte Schild, der aus dem Panzer einer Lederschildkröte gearbeitet war. Als sie ihn aufhob, brach die Decke ein.
    Geistesgegenwärtig riss sie Schélet über den Kopf. Schieferplatten prasselten auf sie nieder. Der Hagel zwang sie in die Knie. Ohne den Schutz des Schildes hätten die schweren Steinplatten sie womöglich erschlagen.
    »Mama?«, ertönte von draußen Aris besorgter Ruf.
    »Mir geht es gut, kleiner Löwe«, antwortete Shúria und bekam einen Hustenanfall. Nur raus hier!
    Sie stolperte mit Schwert und Schild über die Trümmer hinweg in den Wohnraum zurück. Die Luft war von Staub geschwängert. Im hellen Türausschnitt sah sie Aris Schemen.
    »Weg von dem Haus!« Ihre Warnung ging in einem grauenerregenden Geräusch unter, das ihre Aufmerksamkeit auf die Wände lenkte. Sie neigten sich nicht nur, sie bewegten sich auch aufeinander zu. Es sah aus, als wollten sie jeden Augenblick wie ein Scherengitter zusammenklappen.
    Shúria hetzte dem Ausgang entgegen. Kurz bevor sie ihn erreichte, krachte es hinter ihr. Sie hechtete auf das rettende Rechteck aus Licht zu, flog mitten hindurch und landete mit Schwert und Schild im Sand. Auf Ari musste es so wirken, als spie das Haus seine Mutter aus – und mit ihr einen Schwall aus Staub und Stoff. Sie blieb nicht liegen, sondern rollte sich über den Boden, um mehr Abstand zu den Wänden zu gewinnen.
    Dann brach alles zusammen.
    Der Türsturz wurde aus dem Rahmen geschleudert. Shúria
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