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Die Zeitmaschine Karls des Großen (German Edition)

Die Zeitmaschine Karls des Großen (German Edition)

Titel: Die Zeitmaschine Karls des Großen (German Edition)
Autoren: Oliver Henkel
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angedeuteten Verbeugung:
    »Salve, Marcellus Sator. Ihr habt mich zu Euch befohlen?«
    »Ganz recht! Komm her und lies dir dieses Dokument, das ich vor wenigen Stunden erhielt, sorgfältig durch. Danach sagst du mir, was du davon hältst.«
    Andreas nahm den Papyrus, den der Präfekt ihm über den Tisch reichte, entgegen und begann zu lesen. Gleich zu Beginn fiel ihm das Datum am Kopf des Schriftstückes auf. Als Jahreszahl stand dort 6305, und damit war ziemlich sicher, dass der Verfasser sich irgendwo im östlichen Imperium befand, denn dort pflegte man die Zeitrechnung etos kosmou zu verwenden, deren Ausgangspunkt die Schöpfung war. Ein Lateiner hätte mit Sicherheit ab urbe condita, nach Gründung Roms gerechnet. Die einleitenden Zeilen bestätigten Andreas’ Vermutung, denn der Text war in einem Latein von akademischer Perfektion geschrieben, fehlerlos, jedoch schwerfällig. Dieser Stil war Andreas gut bekannt, er hatte ihn schon öfters in der Korrespondenz mit der Verwaltung in Konstantinopel angetroffen. Er war das typische Merkmal der oströmischen Beamten, deren Muttersprache zwar fast immer Griechisch war, die aber die zweite offizielle Sprache des Reiches erlernen mussten, falls sie in der Hierarchie aufsteigen wollten.
    Nachdem er also die Herkunft des Dokuments hinreichend eingegrenzt hatte, konnte Andreas seine Aufmerksamkeit auf den Inhalt konzentrieren, der ihm schon bald ausgesprochen merkwürdig erschien. Von den beunruhigenden Veränderungen im Frankenreich war da die Rede, und das verwirrte Andreas. Das Officium Foederatii war zuständig für die germanischen Völker, die auf dem Gebiet des Imperiums lebten, begrenzte Selbstverwaltung genossen und im Gegenzug Truppen stellten. Doch das Frankenreich gehörte nicht zu den Föderaten, es war ein Verbündeter Roms.
    Doch das änderte nichts am bedrohlichen Charakter der Fakten, die im Text aufgezählt wurden. Demnach hatte sich das Verhalten des Frankenkönigs Karl in den vergangenen drei Jahren sehr verändert, und das nicht unbedingt in einer Art, die dem Imperium als seinem Nachbarn Anlass zur Freude gegeben hätte. Doch Andreas kam mit der Lektüre nicht weit, weil ihn Marcellus ungeduldig unterbrach: »Also, was sagst du dazu? Dieser Karl behauptet tatsächlich, ihm stünde der Kaiserpurpur eigentlich zu, es sei gegen Gottes Willen, dass Rufus VIII. auf dem römischen Thron sitze. Unfassbar!«
    Andreas wollte etwas sagen, aber der Präfekt sprach schon weiter: »Ganz abgesehen von diesen anderen Dingen, die bei den Franken vorgehen … Das alles gefällt mir nicht, ganz und gar nicht …«
    Marcellus Sator schüttelte unwillig den Kopf, und Andreas sah deutlich die Doppelfalte zwischen dessen weißen Augenbrauen. Diese Falte erschien immer dann auf der Stirn des Präfekten, wenn er sehr besorgt oder sehr wütend war. Diesmal aber war die Falte viel deutlicher, als Andreas es bislang je gesehen hatte, und daraus schloss er, dass diese Mitteilungen seinen Vorgesetzten ungewöhnlich stark beschäftigen mussten.
    »Verzeiht mir«, meinte Andreas vorsichtig, »aber mir scheint, dass diese Nachrichten – so wichtig sie auch sein mögen – überhaupt nicht in die Zuständigkeit unseres Amtes fallen.«
    Der Präfekt blickte ihn unwirsch an, und Andreas glaubte bereits, sich mit dieser Bemerkung seinen Zorn zugezogen zu haben. Aber dann entspannten sich die Gesichtszüge, und er sagte ruhig: »Ja, natürlich. Du kannst das nicht wissen, kaum einer weiß es. Sag, was kannst du mir über den Frankenkrieg erzählen?«
    »Das war vor fast 260 Jahren, 1291 ab urbe condita. Erst ein Jahr vorher hatte Rufus III. gemeinsam mit Justinian die restauratio imperii durchgeführt, und fast das gesamte Feldheer lag noch verstreut über Hispania und Africa, um für Ruhe in den rückeroberten Gebieten zu sorgen. Theudebert, der König des Frankenreiches, wollte das ausnutzen und ist heimtückisch in Italien eingefallen.«
    Marcellus unterbrach ihn mit einem ironischen Lächeln: »Heimtückisch? Nun … wenn ich an seiner Stelle gewesen wäre, ich hätte dasselbe getan. So eine Gelegenheit verstreichen zu lassen, das käme einer Sünde gleich. Aber dafür war Theudeberts Sünde die Dummheit, und das ist bei einem Monarchen weitaus schlimmer als Heimtücke … bitte, sprich weiter.«
    »Er ist also mit seinem Heer in Italien einmarschiert. General Belisarius, der gerade mit einer kleinen, aber beweglichen Streitmacht von cataphractii und anderen berittenen Einheiten
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