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Die Zeitmaschine Karls des Großen (German Edition)

Die Zeitmaschine Karls des Großen (German Edition)

Titel: Die Zeitmaschine Karls des Großen (German Edition)
Autoren: Oliver Henkel
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langsam aufhellenden Himmel, und die Arme des Innuetors auf dem Dach hingen in Ruhestellung nach unten, statt mit ständigem Klappern den Empfang von Depeschen zu bestätigen und Anweisungen für entfernte Provinzen des Reiches zu senden, wie es im Falle von Unruhen bei den Föderaten zu erwarten gewesen wäre. Das verwirrte Andreas vollends, und er beschloss, seine fruchtlosen Spekulationen aufzugeben und lieber abzuwarten, was ihm der Präfekt zu sagen hatte. Mittlerweile hatten sie das bronzene Haupttor erreicht, vor dem ein sichtlich müder Prätorianer Wache stand. Beim Herannahen der beiden Reiter zog er unwillig die Hände aus dem warmen roten Mantel und schlug mit dem schweren, von einem Löwenkopf gehaltenen Ring einmal gegen das Tor, das nach einigen Augenblicken lautlos geöffnet wurde. Andreas und der Bote ritten in den Torweg, der in das Innere des Gebäudes führte.
      
    Marcellus Sator fuhr sich immer wieder mit den Fingern durch die grauen Haare, während er die Schriftstücke durchging. Die Pergamente lagen ausgebreitet auf einem großen Tisch, dessen Oberfläche ein äußerst feines Mosaik war, das eine ptolemäische Karte darstellte. Sie reichte von den Nordländern Scandias und Thules bis nach Nubien, von einer Inselgruppe weit draußen im Oceanus Atlanticus bis zu den Grenzen des unzugänglichen und geheimnisvollen Reiches Sina. Er schob die Dokumente beiseite, um den Teil der Karte betrachten zu können, der das Weströmische Imperium zeigte. Dann schüttelte er kurz den Kopf, eine Geste, die gleichzeitig Besorgnis und Ärger auszudrücken schien.
    Er stand nun kurz vor dem siebenundfünfzigsten Lebensjahr, und er hatte dem Imperium gedient, seit er sechzehn war. Jeder wusste, dass er das hohe Amt des Föderatenpräfekten wegen seiner Leistungen und Fähigkeiten erhalten hatte und nicht wegen seiner Verwandtschaft mit dem scorpischen Kaiserhaus. Trotzdem schien er ständig zu glauben, seiner Umwelt beweisen zu müssen, dass er kein Mensch war, der durch die Gunst seines kaiserlichen Neffen eine reiche Pfründe erlangt hatte, auf der er sich nun dem Müßiggang hingab. Er verbrachte weitaus mehr Zeit im Domus Flavia als daheim, und er hatte das zuvor traditionell eher lasch geführte Officium zu einem Mechanismus von gnadenloser Effizienz gemacht. Während die übrigen Präfekten der Reichsverwaltung die neuen Typoscribetoren noch als Spielzeug belächelten und Papier für ein minderwertiges Schreibmaterial hielten, gerade gut genug für die öffentlichen Schulen, hatte er das Potential dieser Erfindungen erkannt. In den Kellergewölben des Domus Flavia befanden sich mittlerweile dreißig Druckerpressen, die seine Anweisungen an seine zahllosen Untergebenen in allen Ecken des Imperiums schneller und zuverlässiger vervielfältigten, als es zweihundert Schreiber vorher konnten. Der Erfolg gab ihm recht, und die Spötter waren inzwischen zu Nachahmern geworden. Doch nun stand er vor Problemen, bei denen Druckerpressen und Organisationstalent ihm keine Hilfe bieten konnten.
    Durch Zufall fiel sein Blick auf die Insel Thule hoch im Nordwesten, wo eine Inschrift vermerkte, dass dieses Land von Norvegii entdeckt und besiedelt worden sei.
    Für einen winzigen Moment musste er an die Angelsachsen denken, deren Küsten dem Vernehmen nach seit einiger Zeit von norwegischen Piraten heimgesucht wurden. Aber ein paar Plünderer, die Fischerdörfer niederbrannten, waren für Rom ohne jede Bedeutung. Er zwang sich, diesen überflüssigen Gedankengang zu beenden, damit sein Geist wieder effizient arbeiten konnte.
    Es wollte ihm aber nicht gelingen, denn nun hatte einer der Sekretäre den großen, kaum beleuchteten Besprechungsraum betreten und meldete mit gedämpfter Stimme, um seinen Herrn nicht zu abrupt bei seinen Überlegungen zu unterbrechen, die Ankunft Andreas Sigurdius’.
    »Na endlich«, murmelte Marcellus, »er soll sofort zu mir kommen!«
    Der Sekretär ging wieder, und Marcellus ordnete die Schriftstücke neu. Er hielt Andreas für intelligent und fähig – sonst hätte er auch kaum die Verlobung mit seiner Tochter Claudia akzeptiert –, aber seine Arbeitsmoral war zuweilen einfach zu lax. Nicht, dass er die ihm gestellten Aufgaben nicht erfüllt hätte, doch er nahm seine Arbeit zu sehr auf die leichte Schulter. Trotzdem schien er Marcellus für die anstehende Aufgabe am besten geeignet zu sein.
    Die Tür öffnete sich wieder, Andreas kam herein und grüßte den Präfekten mit einer
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