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Die Zeitmaschine Karls des Großen (German Edition)

Die Zeitmaschine Karls des Großen (German Edition)

Titel: Die Zeitmaschine Karls des Großen (German Edition)
Autoren: Oliver Henkel
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du damit nach Rom reiten. Der Senat ist zwar nur noch ein Gerippe ohne Bedeutung, aber du wirst so viele Senatoren zusammentreiben lassen, wie deine Leute finden können. Dann wirf ihnen den Kopf vor die Füße und sag ihnen, dass ich jedem, der Rom verrät, dieses Ende bereiten werde. Mach es dramatisch, ich weiß, du kannst das. Schüchtere sie so ein, dass sie mir den Kaiserpurpur anbieten. Denkst du, du schaffst das?«
    Lucius Scorpio grinste. »Wenn ich mit den edlen Senatoren fertig bin, werden sie dich sogar zum wiedergekehrten Messias erklären!«
    Rufus verzog das Gesicht, er schätzte solche Blasphemien nicht. Aber er wies seinen Bruder, dessen unbekümmerten Übermut er zur Genüge kannte, nicht zurecht. Stattdessen wandte er seinen Kopf zum Eingang des Saals, wo gerade ein Soldat, ein rothaariger Vandale mit geflochtenem Bart, einen verängstigten kleinen Jungen hereinzerrte. Er brachte das Kind zu Rufus Scorpio und sagte dann in schwerfälligem, von einem kehligen Akzent zerrissenem Latein:
    »Edler Scorpio! Ich habe Knaben gefunden, hat sich versteckt in Zimmer. Er sagt, ist Romulus!«
    Scorpio besah sich den Jungen, der ihn verschüchtert und verwirrt aus verweinten, roten Augen anblickte. Das also war Romulus Augustus … ihn schauderte bei dem Gedanken, dass dieses Kind, dieser Augustulus, mit Sicherheit der letzte Kaiser des Römischen Reiches gewesen wäre, hätte die Schlacht an diesem Tag einen anderen Ausgang genommen. Ein derartig lächerliches Ende hätte also das Imperium ereilt, das einmal den Erdkreis beherrschte …
    »Nun, Rufus«, fragte Lucius, »wie soll er sterben?«
    Rufus sah seinen Bruder sehr ernst an. »Überhaupt nicht. Soldat, du sorgst dafür, dass der Junge nach Tarentum gebracht wird. Er soll dort in meiner Villa leben und mit allen Ehren behandelt werden, die einem ehemaligen Kaiser zustehen!«
    Der Vandale zuckte mit keiner Wimper und ging mit Romulus Augustus, der noch gar nicht begriffen hatte, dass eben über sein Leben entschieden worden war, aus dem Saal.
    »Ob das klug war, Rufus?«, fragte Lucius seinen Bruder nach einigen Augenblicken des Schweigens.
    »Klug?« Rufus Scorpio schüttelte müde den Kopf. »Nein, vielleicht nicht. Aber der Purpur hat schon genug Blut aufgesogen. Rom wäre nicht das Wrack, das es heute ist, hätten sich nicht jahrhundertelang Kaiser und Gegenkaiser bekämpft und immer neue Morde angezettelt. Und …«
    »Ja? Was noch?«
    »Mir tat der Junge einfach nur leid. Er ist von seinem ehrgeizigen und verräterischen Vater ungefragt auf den Thron gesetzt worden … Warum soll ich das Kind dafür töten? Oh, ich bin mir sicher, Odoaker hätte so gehandelt. Aber ich bin nicht Odoaker.«
    Rufus hielt für einen Moment inne, dann sagte er unvermittelt: »Siehst du den Adler am Baldachin, Lucius?«
    Sein Bruder schaute nach oben, wo ein goldener Adler, umgeben von einem Lorbeerkranz in den Purpurstoff eingestickt war.
    »Lucius, was bedeutet der Adler für dich?«
    Ohne zu zögern, antwortete Rufus’ Bruder: »Rom! Er steht für Rom und alles, was Rom ausmacht.«
    »Ganz recht«, erwiderte Rufus, während er die Marmorstufen hinaufstieg, »er ist nur noch selten zu sehen, denn er war das Symbol des heidnischen Rom. Trotzdem achte ich ihn, weil er an die vergangene Größe des Imperiums erinnert. Wer unter ihm sitzt, muss bereit sein, die schwere Last dieser Erinnerung zu tragen. Wer das nicht will, hat auf diesem Thron nichts verloren!«
    Und Rufus Scorpio setzte sich langsam und vorsichtig auf den goldenen Sessel.
        
     

1
     
    Rom
1549 ab urbe condita (A. D. 796)
     
    Andreas Sigurdius fröstelte, als er aus der Tür trat. Es war allerdings viel weniger die Kälte – die Aprilnächte waren noch frisch – als die Müdigkeit, die ihn frieren ließ. Sein Diener hatte ihn aus dem Tiefschlaf gerissen, weil ein Bote des Officiums eine Nachricht überbracht hatte und nun im Hof wartete. Die Nachricht, ein eilig geschriebener Zettel, erwies sich als Aufforderung, sich sofort im Officium einzufinden. Signiert war die kurze Notiz von Marcellus Sator, und das bedeutete, dass die Angelegenheit tatsächlich wichtig sein musste. Andreas hatte nicht die geringste Lust, sich den Unmut seines Vorgesetzten und künftigen Schwiegervaters einzuhandeln, und beeilte sich daher, dem Befehl so schnell wie möglich Folge zu leisten.
    Als er jetzt den Innenhof seines Hauses betrat, wartete dort schon ein Reiter in der Uniform des Officium Foederatii auf ihn und
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