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Die Zeit-Moleküle

Die Zeit-Moleküle

Titel: Die Zeit-Moleküle
Autoren: D.G. Compton
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Immer noch Bilder erhoffend, blätterte er jetzt das ganze Buch durch. Hatte man schon einmal von einem schmutzigen Buch gehört, das keine Bilder enthielt? Ein paar von den Seiten sahen sehr merkwürdig aus, einige waren koloriert und andere wieder schienen Ausschnitte aus Zeitungen zu sein. Ein paar Blätter waren mit Handschrift versehen, und auf anderen Seiten wieder bewegten sich die Buchstaben, während er sie betrachtete. Doch nirgends ein Bild.
    Er setzte sich auf einen Stuhl und hielt das Buch im Schoß. Die angenehmen Empfindungen wallten durch seinen Körper, bis er die Zehen in seinen nassen Stiefeln auf und ab bewegte. Er kehrte wieder zur ersten Seite des Buches zurück. Die Länge der Worte schreckte ihn; aber vielleicht bewältigte er sie, wenn er jedes Wort langsam anging. Wenn es genug schmutzige Wörter gab, würden sie ihn schon bei der Stange halten. Er legte einen schwarzen Fingernagel auf das erste Wort des Absatzes und begann zu entziffern:
    Als Du zum erstenmal das Wort Nacktheit lasest, was hast Du Dir dabei gedacht? Die Nacktheit der Hügel? Die Nacktheit der Wahrheit? Oder dachtest Du an menschliche Nacktheit? Wenn ja, war es die Nacktheit Deines oder des anderen Geschlechtes?
    Dieses letzte Wort war ihm zuerst ins Auge gefallen, und er fuhr mit dem Fingernagel an den Zeilen entlang, bis er es erreicht hatte. Jetzt kam er sich vor, als würde er durch einen dunklen Dschungel wandern.
    Nachdem Du den Begriff mit Leben erfüllt hast, welche Empfindungen drängen sich Dir dabei auf? (In alphabetischer Reihenfolge):
    Aufregung?
    Ekel?
    Entzücken?
    Freude?
    Langeweile?
    Religiöse Ekstase?
    Schrecken?
    Diese Fragen haben tatsächlich einen Sinn, sind keine Zeitverschwendung. Denn um eine Epoche verstehen zu können, muß man zuerst einmal seine eigene Einstellung zu ihren fundamentalen …
    Roses las nicht weiter. Nicht die Spur von einer Geschichte und nur zwei schmutzige Wörter. Ärgerlich warf er das Buch auf den Tisch zurück. Gleißend lag es dort, vollkommen unbeeindruckt, fast schnurrend vor Behaglichkeit. Sobald ihm das Buch aus den Händen geglitten war, waren auch die angenehmen Empfindungen verschwunden. Er spürte jetzt die Kälte und das Zwicken der nassen, viel zu stramm sitzenden Hose. Der Schlamm in seinen Stiefeln glitschte zwischen seinen Zehen, das Wasser tropfte von seiner Jacke. Er fluchte auf das Buch, das die Ursache all dieser Widrigkeiten war. Er zog seine Jacke aus, wischte damit den Boden auf und hängte sie neben der kalten Herdstelle auf. Sein Hemd war nur ein bißchen feucht. Deshalb ließ er es an. Er kannte die Gefahren einer Erkältung, und deshalb hatte er das Hemd seit Ostern nicht mehr ausgezogen. Die Schnürsenkel an seinen Stiefeln hatten sich zusammengezogen und ließen sich nur schwer aufbinden. Das Leder war steif geworden, und die Stiefel ließen sich nur mit Mühe abstreifen. Die Hose klebte an seinen Beinen. Er fluchte, wie er es von seinem Vater gelernt hatte, weil er sich noch mit der Decke abmühen mußte, die er der Schicklichkeit wegen übergeworfen hatte.
    Als er die Hose endlich ausgezogen hatte und die Decke um die Hüften festzurrte, suchte er nach Papier, um ein Feuer anzünden zu können. Erst langsam formte sich der Gedanke, daß er ja das dumme, unverständliche Buch dafür verwenden konnte. Als der Gedanke ihm klar bewußt war, freute er sich, denn es war nur gerecht, daß er sich an diesem Buch für seine klägliche Lage rächte. Es sollte für den Verlust seiner »Pantherfrau« büßen, sollte brennen für jeden Halunken, der ihn mit langen, gelehrten Worten beschämt hatte. Er riß das Buch vom Tisch und zerrte an den Blättern. Sie gaben nicht nach. Er packte es fester, teilte es in zwei Hälften und riß daran, bis der Schweiß ihm über die Schultern lief. Doch das Buch blieb unversehrt, spendete ihm Trost, Güte und Wohlbehagen, solange es an seine Brust gepreßt blieb.
    Er warf das Buch auf den Boden, lief wütend im Raum auf und ab und trat das Buch jedesmal mit Füßen, wenn er daran vorbeikam. Dann fiel er wieder über das Buch her, stellte sich auf den Deckel und zerrte an einem einzigen, armseligen Blatt. Vergeblich.
    Je wütender er wurde, um so ungeschickter, ja tierischer, wurden seine Bewegungen. Er bearbeitete das Buch mit der Schere und mit dem Fleischmesser. Die Hütte erzitterte unter seinen wütenden Schlägen. Die Decke war längst von seinen Hüften herabgefallen und lag auf dem Boden. Er warf das Buch in den
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