Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die zehn besten Tage meines Lebens: Roman (German Edition)

Die zehn besten Tage meines Lebens: Roman (German Edition)

Titel: Die zehn besten Tage meines Lebens: Roman (German Edition)
Autoren: Adena Halpern
Vom Netzwerk:
macht noch so einige Kilometer«, sagt sie und lässt den Motor aufheulen. »Du weißt doch, wie sehr ich dieses Auto immer geliebt habe.«
    Das stimmt. Ich bin trotzdem überrascht, dass sie sich in all den Jahren nie ein neues zugelegt hat.
    »Ich hänge eben sehr an meinem Cadillac«, sagt sie und steuert den Wagen rücklings aus dem Parkplatz. »Und du weißt ja, Liebes, wir sind hier im Himmel – hier bekommt jeder das, was er sich wünscht.«
    Hm. Ob es im Himmel einen Porschehändler gibt?
    »Und wie läuft das hier mit dem Geld?«, erkundige ich mich.
    »Haben wir nicht«, erklärt Onkel Morris. »Es fällt buchstäblich einfach alles vom Himmel. Wer auf der Erde hart gearbeitet hat, der bekommt hier alles, was sein Herz begehrt.«
    Das mag verrückt klingen, aber es ist wahr. Nachdem meine Großeltern eine Weile darüber diskutiert haben, in welcher Richtung mein Zuhause liegt (manches ändert sich nie), kommen wir schließlich zu einem Farmhaus im Kolonialstil, das mir sofort bekannt vorkommt.
    »Das ist Len Jacobs’ Haus«, staune ich.
    Len Jacobs ist im selben Vorort von Philadelphia aufgewachsen wie ich. Wir hatten nicht viel miteinander zu tun; wir waren nicht einmal befreundet. Er war in der Highschool in einer ganz anderen Clique als ich. In den 80er Jahren mutierte er zum Punker, legte sich einen Irokesenschnitt zu und lief in Armee-Jacke und schweren Lederstiefeln herum, mit Ketten an den Absätzen. Im Schulkorridor hörte man ihn immer schon von weitem.
    Wie dem auch sei, ich sah jeden Tag vom Schulbus aus dieses wunderschöne Farmhaus im Kolonialstil. Ich fragte mich oft, wer dort wohnen mochte. Ich selbst lebte in einem ultramodernen, peinlich sauberen Heim, das nicht die Spur gemütlich wirkte. Es gab nirgendwo weiche Kissen, und man musste stets die Schuhe ausziehen, um die Böden nicht zu zerkratzen. Deshalb liebte ich das Farmhaus mit dem Bächlein im Vorgarten und der steinernen Bogenbrücke, die zur Eingangstür führte. In diesem Haus hätte ich sofort freiwillig die Schuhe ausgezogen – es sah einfach aus, als gäbe es dort einen Pyjama-und-Pantoffeln-Dresscode.
    Jedenfalls saß ich eines schönen Tages – die genauen Umstände habe ich vergessen – neben Len Jacobs in einem Auto und wurde von jemandem nach Hause gebracht. Ich weiß weder, wer uns gefahren hat, noch warum, aber darum geht es auch gar nicht. Wie sich damals herausstellte, wohnte ausgerechnet Len Jacobs, der Hardcore-Punker, in dem Farmhaus, von dem ich immer geträumt hatte. Selbst Jahre später fragte ich mich jedes Mal, wenn ich meine Eltern besuchte und an dem Haus vorbeikam, ob seine Familie wohl noch darin wohnte und ob sie ihr Heim überhaupt gebührend zu schätzen wusste. Irgendwann hatte es dann einen Anstrich bitter nötig, und die Brücke wirkte baufällig. Ich weiß noch gut, wie traurig mich das stimmte, und dass ich mir wünschte, ich könnte das Haus kaufen und wieder so herrichten, wie es in meiner Kindheit gewesen war. Ich glaube nicht, dass ich je irgendjemandem erzählt habe, wie sehr ich dieses Haus liebte, aber vergessen habe ich es nie – und hier steht es plötzlich, frisch gestrichen, mit dem Bächlein im Vorgarten und einer renovierten steinernen Brücke!
    »Das ist Len Jacobs’ Haus!«, wiederhole ich und stiere meine Familie mit großen Augen an.
    »Jetzt ist es deins«, sagen sie. »Du hattest ja ganz schön große Wünsche.«
    »Was soll das heißen, meins?«
    »Du hast es dir gewünscht, also hast du es bekommen«, erklärt meine Großmutter lakonisch.
    Ist das nicht irre?
    Meine Großmutter parkt in der Einfahrt. Wir steigen aus dem Wagen.
    Ich trete einen Schritt zurück und betrachte das Haus. »Seid ihr sicher, dass das alles mir gehört?«
    »Aber ja«, sagt meine Großmutter.
    Meins! Len Jacobs’ Haus gehört ab jetzt mir! Wie ist es hierhergekommen? Wer wusste von meinem Traum? Soll ich einfach hineingehen?
    »Es ist dein Haus, Schätzchen«, wiederholt auch Onkel Morris. Meine Zweifel müssen mir deutlich ins Gesicht geschrieben sein.
    »Brauche ich einen Schlüssel? Gibt es eine Alarmanlage?«
    »Glaubst du wirklich, im Himmel wird jemand in dein Haus einbrechen?«, fragt meine Großmutter in einem Tonfall, der erkennen lässt, wie albern sie meine Fragen findet.
    Wir betreten also mein Haus.
    Woher wussten die Zuständigen bloß, dass ich auf Shabby Chic stehe? Das gesamte Interieur stammt von Shabby Chic – überall geblümte französische Sofas und Ohrensessel und gerahmte
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher