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Die Zahlen Der Toten

Die Zahlen Der Toten

Titel: Die Zahlen Der Toten
Autoren: Linda Castillo
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wir ihnen eine Tote ins Leichenschauhaus bringen. Oh, und Rupert soll Kaffee mitbringen. Viel Kaffee.« Ich blicke hinab auf die Tote.
    »Wir sind sicher noch eine ganze Weile hier.«
    · · ·
    Dr. Ludwig Coblentz ist ein rundlicher Mann mit großem Kopf, schütterem Haar und einem Bauch so ausladend wie ein VW -Käfer. Ich gehe zum Seitenstreifen, wo er gerade aus seinem Cadillac Escalade steigt. »Einer Ihrer Polizisten soll über eine Tote gestolpert sein«, sagt er wenig erfreut.
    »Nicht nur tot«, erwidere ich. »Ermordet.«
    Er trägt khakifarbene Hosen und eine rotkarierte Schlafanzugjacke unterm Parka. Ich sehe zu, wie er seine schwarze Tasche vom Beifahrersitz zieht, die er wie eine Brotdose hält. Sein Gesichtsausdruck verrät mir, dass er sofort anfangen will.
    Er folgt mir durch den Wassergraben, und obwohl es bis zu der Toten nicht weit ist, atmet er bereits schwer, noch bevor wir über den Zaun steigen. »Wie zum Teufel kommt eine Leiche hierher?«, murmelt er.
    »Jemand hat die Frau hier abgeladen, oder sie hat sich mit letzter Kraft selbst hergeschleppt.«
    Er sieht mich fragend an, doch ich hülle mich in Schweigen. Ich will nicht, dass er voreingenommen an die Arbeit geht. Erste Eindrücke sind wichtig bei polizeilichen Ermittlungen.
    Wir ducken uns unter dem Absperrband durch, das Glock zwischen die Bäume gespannt hat wie Toilettenpapier an Halloween. T. J. hat eine Arbeitslampe an den Ast über der Toten gehängt. Sie spendet nicht besonders viel Licht, ist aber besser als die Taschenlampen. Außerdem haben wir so die Hände frei. Ich wünschte, wir hätten einen Generator.
    »Der Tatort ist gesichert«, vermeldet Glock, der mit zwei Bechern Kaffee kommt und mir einen davon hinhält. »Sie sehen aus, als könnten Sie den brauchen.«
    Ich nehme den Styroporbecher, hebe den Deckel an und trinke einen Schluck. »Mein Gott, das tut gut.«
    Er betrachtet die Tote. »Glauben Sie, jemand hat sie hierher gebracht?«
    »Sieht so aus.«
    T. J. stellt sich zu uns, wirft einen kurzen Blick auf die tote Frau. »Puh, Chief, ich finde es schlimm, wie sie so daliegt.«
    Ich auch. Von hier kann ich ihre Brüste und Schamhaare sehen. Die Frau in mir krümmt sich. Aber es lässt sich nicht ändern; wir dürfen sie weder bewegen noch zudecken, bevor alles aufgenommen ist. »Kennt sie einer von euch?«, frage ich.
    Beide Männer schütteln den Kopf.
    Während ich an meinem Kaffee nippe, sehe ich mir den Tatort genau an und versuche mir vorzustellen, was passiert sein könnte. »Glock, haben Sie noch die alte Polaroid?«
    »Im Kofferraum.«
    »Machen Sie ein paar Aufnahmen von der Leiche und dem Fundort.« Dafür dass wir auf dem Schnee rumgetrampelt sind, trete ich mir im Geiste in den Hintern. Ein Sohlenprofil wäre sicher hilfreich gewesen. »Ich will auch Fotos von den Schleifspuren.« Jetzt wende ich mich an beide Männer. »Teilt den abgesperrten Bereich in Quadrate ein und sucht jedes einzelne genau ab, angefangen bei den Bäumen. Tütet alles ein, was ihr findet, auch wenn ihr es für unwichtig haltet. Und macht ein Foto, bevor ihr es anfasst. Vielleicht gibt es ja irgendwo einen Schuhabdruck. Und haltet Ausschau nach Kleidungsstücken oder einer Geldbörse.«
    »Wird gemacht, Chief.« Glock und T. J. setzen sich in Bewegung.
    Ich wende mich Doc Coblentz zu, der neben der Leiche steht. »Wissen Sie, wer sie ist?«, frage ich.
    »Keine Ahnung.« Der Arzt zieht die Winterhandschuhe aus und schiebt die dicken Finger in Latexhandschuhe. Ächzend geht er in die Hocke.
    »Können Sie schon sagen, wie lange sie tot ist?«
    »Das ist schwer, wegen der Kälte.« Er hebt den Arm der Frau. Sie hat blutige Furchen an den Handgelenken. »Ihre Hände waren zusammengebunden«, sagt er.
    Ich betrachte das eingeschnittene Fleisch. Sie hatte versucht, sich zu befreien. »Mit Draht?«
    »Vermutlich.«
    Sie hat lackierte Fingernägel und ist somit keine Amische. Mir fällt auf, dass zwei Nägel ihrer rechten Hand abgebrochen sind. Sie hatte sich gewehrt. Im Geiste notiere ich, Proben unter ihren Fingernägeln nehmen zu lassen.
    »Die Leichenstarre hat schon eingesetzt«, sagt der Doc. »Sie ist mindestens acht Stunden tot. Den Eiskristallen auf der Schleimhaut nach zu urteilen, wahrscheinlich eher zehn. Sobald sie im Krankenhaus ist, messe ich die Körpertemperatur. Die fällt zwischen ein und anderthalb Grad pro Stunde. Wenn ich die weiß, kann ich den Todeszeitpunkt genauer eingrenzen.« Er lässt ihre Hand
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