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Die Zahlen Der Toten

Die Zahlen Der Toten

Titel: Die Zahlen Der Toten
Autoren: Linda Castillo
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Spur bis zum Zaun und weiter ins Feld dahinter. Plötzlich tauchte Blut im Lichtkegel auf. Viel Blut. Ihm sträubten sich die Nackenhaare.
    »Was zum Teufel ist das denn?«
    Er stapfte durch den Wassergraben, wo verdörrtes Gras aus der Schneeschicht ragte, und kletterte über den Zaun. Dahinter fand er noch mehr Blut, dunkel und glänzend im blütenweißen Schnee. So viel, dass einem ganz anders werden konnte.
    Die Schleifspur führte ihn in die Nähe einer Gruppe kahler Milchorangenbäume am Rande eines Kornfelds. T. J. konnte seinen eigenen Atem hören, begleitet vom Wispern der abgestorbenen Getreidehalme um ihn herum. Die Hand auf dem Revolver, leuchtete er mit der Taschenlampe einen Radius von dreihundertsechzig Grad ab. Und sah wieder etwas im Schnee.
    Vielleicht doch ein angefahrenes Tier, das sich bis hierhin geschleppt hatte und dann verendet war. Aber als er näher kam, blieb der Strahl seiner Taschenlampe auf etwas ganz anderem hängen – bleichem Fleisch, dunklen Haaren, einem nackten Fuß. Bei dem Anblick wurde ihm übel. »Heilige Scheiße.«
    Einen Moment lang war T. J. unfähig, sich zu rühren. Wie gebannt starrte er auf die dunkle Blutlache und das bleiche Fleisch. Dann riss er sich zusammen und ging neben dem Körper in die Hocke. War es möglich, dass sie noch lebte? Er streckte die Hand aus und berührte die nackte Schulter. Ihre Haut war eiskalt. Er drehte sie trotzdem um, sah aber nur mehr Blut, fahles Fleisch und glasige Augen, die ihn anzustarren schienen.
    Erschüttert wich er zurück. Seine Hand zitterte, als er nach dem Ansteckmikro am Kragen tastete. »Zentrale! Siebenundvierzig hier!«
    »Was denn jetzt noch, T. J.? Hat ’ne Kuh dir Beine gemacht und dich einen Baum hochgejagt?«
    »Auf Stutz’ Weide liegt ’ne Leiche.«
    »Was?
«
    Sie benutzten in Painters Mill das Zehn-Code-System, aber die Nummer für einen Leichenfund fiel ihm beim besten Willen nicht ein. Die hatte er noch nie gebraucht. »Ich hab gesagt, hier liegt eine Leiche.«
    »Das hab ich schon verstanden.« Schweigen. Anscheinend hatte es ihr die Sprache verschlagen. Dann: »Was ist dein Zwanzig?«
    »Dog Leg Road, gleich südlich der überdachten Brücke.«
    Erneute Pause. »Wer ist es?«
    In Painters Mill kannte jeder jeden, doch diese Frau hatte er noch nie gesehen. »Ich weiß es nicht. Eine Frau. Nackt wie Gott sie schuf und toter als Elvis.«
    »Ein Autounfall?«
    »Das war kein Unfall.« T. J. legte die Hand auf den Griff seiner . 38 er und ließ den Blick zu den Schatten zwischen den Bäumen wandern. Sein Herz klopfte heftig. »Ruf lieber den Chief an, Mona. Ich glaube, sie ist ermordet worden.«

2. Kapitel
    Ich träume vom Tod. Wie immer bin ich in der Küche des alten Farmhauses. Der abgewetzte Holzboden ist voller Blut, rot und grauenerregend. Der Duft von Hefebrot und frisch geschnittenem Heu mischt sich mit dem strengen Geruch meiner Panik, ein Gegensatz, den mein Verstand nicht verarbeiten kann. Durch das Fenster über der Spüle weht eine Brise herein, die Vorhänge bauschen sich. Ich sehe Blut auf dem gelben Stoff. Spritzer an der Wand. Meine Hände sind klebrig.
    Ich kauere in der Ecke. Aus meinem Mund kommen fremdartige, tierische Laute, wie erstickte Schreie. Ich spüre den Tod im Raum. Um mich herum nur Dunkelheit. Auch in mir drin. Und im Alter von vierzehn Jahren lerne ich, dass es in meiner sicheren und behüteten Welt das Böse gibt.
    Das Telefon reißt mich aus dem Schlaf, und der Albtraum schleicht wie ein nachtaktives Tier zurück in seine Höhle. Ich drehe mich um, taste auf dem Nachttisch nach dem Hörer und drücke ihn ans Ohr. »Yeah.« Meine Stimme krächzt.
    »Hallo, Chief, hier ist Mona. Tut mir leid, dass ich Sie wecke, aber ich glaube, Sie müssen kommen.«
    Mona vom Telefon-Nachtdienst neigt normalerweise nicht zur Hysterie, deshalb lässt mich die Aufregung in ihrer Stimme aufhorchen. »Was ist los?«
    »T. J. ist draußen auf Stutz’ Wiese. Er wollte Kühe zurücktreiben und hat ’ne tote Frau gefunden.«
    Meine Benommenheit ist schlagartig weg. Ich setze mich auf und streiche mir die Haare aus dem Gesicht. »Was?«
    »Er hat eine tote Frau gefunden und klang ziemlich aufgewühlt.«
    Womit T. J. nicht der Einzige ist, ihrer Stimme nach zu urteilen. Ich schwinge die Beine aus dem Bett und greife nach dem Morgenrock. Mein Blick fällt auf den Wecker: gleich zwei Uhr dreißig. »Ein Unfall?«
    »Bloß die Leiche. Nackt.«
    Als mir bewusst wird, dass ich meine Kleider
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