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Die Wunderheilerin

Die Wunderheilerin

Titel: Die Wunderheilerin
Autoren: Ines Thorn
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Johann? Kann er noch aus der Ferne Schaden über uns bringen?»
    Der Priester zuckte mit den Achseln. «Es tut mir leid. Ich musste es Euch sagen. Warnt Adam. Vielleicht ist es das Beste, er ginge von hier fort.»
    Eva ließ die Schultern hängen. Eine Träne rann ihr überdie Wange. Johann streckte die Hand nach ihr aus, wollte sie berühren, doch ihr Blick war so abwesend, so schmerzvoll, dass er den Arm sinken ließ.
    «Wohin soll er gehen? Er hat doch niemanden als mich. Wir brauchen einander. Sein Studium an der Universität steht kurz vor dem Abschluss. Die Stelle eines Stadtarztes ist ihm angeboten worden. Gibt es keine andere Lösung?», fragte Eva unruhig.
    «Doch», erwiderte der Priester. «Eine gibt es, aber gottgefällig ist sie nicht. Einige im Rat verlangen eine Untersuchung. Andere gibt es, die nichts auf das Gerede geben. Aber sie würden Adam gern vor dem Altar sehen. Ein verheirateter Mann steht über jedem Verdacht.»
    «Ja, das ist richtig», erwiderte Eva. «Aber wer sollte ihn heiraten wollen? Wo ist das Mädchen, das nichts auf die dummen Reden gibt?»

Drittes Kapitel
    Die Rathausuhr schlug sechsmal. In den Straßen war es ruhig geworden. Die Kälte hatte alle Leute vertrieben. Nur ein vereinzelter Karren rumpelte noch durch die Hainstraße. Eva trat ans Fenster und sah hinaus. Ein altes Weib mit einer Kiepe humpelte Richtung Rahnstädter Tor. Vielleicht hatte sie Holz auf dem Markt verkauft und war nun auf dem Weg zu ihrer Lehmhütte vor den Toren der Stadt.
    Eine Sänfte wurde vorübergetragen, und Eva erkannte einen Ratsherrn. Er trug einen Mantel von Hermelin, hatte sich weit aus der Sänfte gebeugt und trieb die Träger mit rohen Worten an. Seine roten Wangen verrieten, dass ihm gewiss nicht kalt war unter seinem Pelz.
    Zwei Bettler, an ihren schäbigen Umhängen und den großen, schwarzen Kapuzen zu erkennen, schleppten sich müde zurück zu ihrer ärmlichen Kummerkate vor der Stadt. Eva wusste, dass sie die Abendmesse noch abgewartet hatten, um ein paar Heller zu erbetteln.
    Ein Lehrjunge in Holzpantinen schlitterte über die glatte Gasse und hielt dabei zwei Krüge, die er wohl aus der nahen Schänke geholt hatte.
    Hinter ihr bewegte sich etwas. Bärbe, die Magd, war in die Wohnstube gekommen und hatte ein paar Buchenscheite in den Kamin geworfen. Nun räusperte sie sich laut.
    «Was ist?», fragte Eva, wandte sich vom Fenster ab, setzte sich in einen Armlehnstuhl, der vor dem Kamin stand, und nahm ihren Stickrahmen zur Hand.
    Bärbe verzog das hagere, hässliche Gesicht zu einem Lächeln und strich über die gestärkte Schürze, die Susanne mit feinen Stickereien verziert hatte. Susanne hatte immer auf das geachtet, was sie unter Vornehmheit verstand. Selbst in der Küche. Nun war sie weg, und Bärbe hatte sich die Schürze gegriffen. Das war Diebstahl, doch Eva war zu müde und zu kraftlos, um Bärbe zurechtzuweisen.
    «Das Essen ist fertig. Soll ich den Tisch eindecken? Wünscht Ihr hier oder in der Küche zu speisen?»
    Eva verzog unwillig den Mund. Bärbes anmaßender Ton ging ihr nun doch zu weit. «Sind die Kapaune schön knusprig gebraten und die Kastanienfüllung kräftig gewürzt? Das Brot noch warm? Die Bohnen mit Speck gekocht?», fragte sie mit harter Stimme.
    Bärbe sog hörbar die Luft ein. «Alles, wie Ihr es befohlen habt.»
    «Gut. In der Küche essen wir nur, wenn wir unter uns sind. Heute Abend erwarte ich Gäste, wie du weißt. Also wird in der Wohnstube gedeckt. Die Zwillinge essen mit uns, der Knecht und du, ihr bleibt in der Küche.»
    Die Magd Bärbe runzelte die Stirn. «Frau Susanne hat aber immer   …»
    «Susanne ist meine Schwester», unterbrach sie Eva. «Sie gehört zur Familie, hat mir den Haushalt geführt. Ihr Platz an der Familientafel war selbstverständlich. Du bist eine Magd, Bärbe.»
    «Die Zwillinge sind Lehrmädchen. Das ist noch weniger als eine Magd.»
    «Willst du mir sagen, wie ich in meinem Haushalt herrschen soll?», fuhr Eva sie an.
    Die Magd zuckte zusammen, hob die Hände über den Kopf. Aber Eva hatte sie noch nie geschlagen.
    «Wer an meiner Tafel speist, bestimme ich und kein anderer», zischte sie nur.
    Die Magd wurde rot. Sie knickste, dann ging sie zum Wandschrank und entnahm ihm ein blütenweißes Leinentuch mit bestickten Rändern sowie die versilberten Teller.
    «Du deckst das Beste auf, das wir haben», tadelte Eva, noch immer verärgert über Bärbes Aufsässigkeit. «Kannst du nicht unterscheiden? Es ist kein Ratsherr,
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