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Die Wolkenbraut: Das Leben der Philippine Welser. Ein historischer Roman

Die Wolkenbraut: Das Leben der Philippine Welser. Ein historischer Roman

Titel: Die Wolkenbraut: Das Leben der Philippine Welser. Ein historischer Roman
Autoren: Jeannine Meighörner
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klein.
    Weitere Zweifel verstummten unter Ferdinands Zeigefinger auf seinen Lippen. Mein Herr war ein „Darüberhinaus“, gewohnt, alles Leben mit einem Fingerzeig anzuhalten. Bei nur mittlerer Statur voll vom Brausen eines großen Mannes. Nun sollte sein Stumpen ihn noch größer machen. Ungesehen.
    Mit einem weiteren Fingerzeig dirigierte er die Spanier vor seinen Schreibtisch. Darauf eine quadratische Kassette, unterarmlang, die besagte mit Quarzsand befüllte Büchse und ein Tintenfass enthielt. Hauchdünn getriebenes Silber ornamentiert mit Wassernixen. Aus dem Kassettendeckel schoss ein Blutstrahl empor, helles Arterienblut. Aus der Nähe formte sich das Blut zu einem Korallenzweig, woraus ein Neptun geschnitzt worden war. Strammschenkelig eine zweiköpfige Riesenschlange durch die Gischt lenkend. Sein Blick übellaunig. Seine Bewaffnung, ein Dreizack aus Elfenbein, gegen die Betrachter gerichtet. Hebt ihr den Deckel, verliert ihr das Augenlicht, so die Botschaft.
    Doch die Spanier hatten keine Augen für eine Skulptur, wie sich kaum eine zweite findet. Für ein Wunder war man angereist. Von einem zornigen Neptun verteidigt, wollte man dieses zumindest hören. So beugten sie sich über den Korallengott wie Krähen über einen elenden Wurm. Verharrten in dieser Pose. Lauschten und litten, die feinen Damen und Herren aus Kastilien.
    Mich zu verstecken, war nur eine Variante meiner Inszenierung. Immer Verrückteres ersann mein Herr. Nun, die Arschparade war mir lieb. Wurde meine Gesundheit doch zu Lasten des Publikums geschont.
    Unter uns: was wollte die spanische Verwandtschaft meinem Herrn gerade jetzt bieten? Selbst die Fugger und die Welser wären am Bankrott des frommen Philipps II. fast verblutet. Ging in seinem Weltreich die Sonne nie unter, waren auch seine Gläubiger immer wach.
    Natürlich haben auch andere Sammler mich besichtigt. Johann III. von Portugal und Maria Stuart von Schottland schickten Gesandte. Elisabeth, die so genannte Jungfer auf dem englischen Thron, sandte einen Geodät und Kartenmaler über die Nordsee. So, als wäre ein Zwerg eine Insel. Im Tower aufgewachsen, sei Misstrauen ihr tägliches Brot, hörte man munkeln. Mein Herr hätte sie heiraten sollen, hat aber zurückgezogen. Sicherlich hätte sie auch ihn kartographieren lassen – mit spitzem Messzirkel und eisigen englischen Fingerspitzen. Selbst Suleiman der Prächtige soll in seinem Reich zwischen Afrika, Orient und Okzident keinen wie mich besessen haben.
    Dabei scharten alle Großtuer dekorative Kleinheit um sich. Doch keiner besaß einen Thomele: kein rachitisches Kind, keinen in einem Käfig gezüchteter Hänfling, der aufschoss wie Spargel, wenn man das Gitter um ihn zerbrach. Kein Gnom mit einem Kohlkopf zwischen den Schultern, einem Buckel, krummen Beinen und einem Kürbisbauch, dessen Unbeholfenheit alle Höfe belustigte. Katharina von Medici besaß Neunerlei davon und Friedrich der Weise von Sachsen hielt ein Dutzend in einer Menagerie mit Mohren und Affen.
    Ich war der Winzling im Kabinett der Absonderlichkeiten:
    Bei schöner Gestalt kaum vier Spannen hoch, reichte bis zum Knie des Riesen Giovanni Bona, wog nie mehr als fünfundzwanzig Pfund. War der kleinste Maßstab im Wettbewerb gegenseitigen Überbietungseifers, von Fürst zu Fürst, von Hof zu Hof.
    „Eine Muckeschisse“, wie es aus Giovannis Baumstammbrust tönte, der in Riva del Garda zur doppelten Mannsgröße aufgeschossen war. Mein Mückenhirn jedoch voll Schalk und mancher Begabung, während der Riese gar nichts konnte, außer ein Riese zu sein.
    Mich hat der Schöpfer am Abend des siebten Tages erschaffen. Ein Liebhaberstück in Festtagslaune, eine Wiedergutmachung für die Narren im Paradies. Ein Menschlein voller Präzision und Anmut. Gleich der Erfindung eines Martin Behaim, der alle Länder, Ozeane und Wunderwesen darin auf einer bemalten Kugel vereinte. Kaum einer benötigte so etwas, aber jeder wollte es besitzen.
    Der Zwergenagent, der mich beschafft hatte, hatte nie mehr solche Fortüne.
    Auch diese Spanier nicht, deren Besuch ich nun zu Ende erzählen will. Ein Gesandter des Erzbischofs von Toledo unter ihnen. Noch verbarg ich mich unter dem Schreibtisch meines Herrn, während der Unmut vor der Streusandbüchse wuchs.
    Nun sollte ich unter die Röcke der Damen huschen. Geriet jedoch unter die Sutane des Gottesmannes.
    Dessen Altmännerschritt verriet sofort, dass es auch der spanischen Kirche am Nötigsten fehlte. Behutsam hob ich das
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