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Die Wolkenbraut: Das Leben der Philippine Welser. Ein historischer Roman

Die Wolkenbraut: Das Leben der Philippine Welser. Ein historischer Roman

Titel: Die Wolkenbraut: Das Leben der Philippine Welser. Ein historischer Roman
Autoren: Jeannine Meighörner
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finden. Man grusle sich gerne vor Monstern und magischen Weibern.
    Zwar hat die Gonzaga mit ihrem frommen Pomp und ihrer Weihwasserspritzerei manches erdacht, um bella Philippina vergessen zu machen. Die Rechnung aber ohne die Missgeburt gemacht, die sie hinauswerfen ließ.
    Also, Herr Luther, ich hoffe, Ihr Papier ist gut. Todesangst und Zorn sind emsige Dichter!

1
    Die duftschweren Gewölbe – meine Welt! Doch nicht nur die Welt eines dummen Dings, das einmal mehr der Mädchendressur am Stickrahmen entfloh.
    Sie waren die fachmännisch gelagerte Vielfalt Gottes:
    Chinesische Seide, Barchent, Brokat und englisches Tuch in Ballen, Pfeffer, Muskatnuss, Zimt, Anis und der kostbare Safran in Lederbeuteln. Weißer Zucker, Öl, Kapern und Stockfisch in Fässern. Korallen, Elfenbein, Perlmutt und Nürnberger Tand in Stroh gepolsterten Kisten. Perlen aus Venezuela, die dunklen Welser-Perlen, in mit Samt ausgeschlagenen Kästchen.
    Auf den Behältnissen nicht das Familienwappen, die rot-weiße Lilie. Nein, das Handelssignet der Welser-Vöhlin Gesellschaft eingebrannt – die Dreizackenkrone über dem Kreis, dieser nur fingernagelgroß.
    „Der steht für das Erdenrund, das klein geworden ist, seit wir es beherrschen“, sagte der Onkel. „Jawohl, Kaufleute beherrschten nun die Welt!“, tönte er.
    „Wir, die Fugger und auch der Mutter Vater, Philipp Adler aus Speyer, haben zwei Habsburger mit klingender Münze auf den Thron gehievt. Ein Fass ohne Boden ist des Kaisers Stuhl.
    Karl V. müsste ohne unser Klingeling auf Eseln reiten, beschösse Sultan Suleiman aus Holzkanonen mit Eselsdung.
    Nicht umsonst hat der Kaiser uns einen Adelsbrief ausgestellt. Man muss sich diesen Leuten unentbehrlich machen, darf aber nie ein Höfling sein. Vom Reichsapfel lässt sich nichts abbeißen. Selbst der Medici-Papst war ein Kaufmann.“
    Onkel Bartlmä. Obwohl er kaum schlief und träumend noch Zins und Gewinn addierte, ertrug er meine Neugier. Vater hatte meine Besuche im Kontor am Rindermarkt verboten. Nur Schritte von unserem Haus entfernt, war die Flucht in Bartlmäs Reich der Wunder jedoch leicht.
    „Dein Vater Franz will nicht halb so viel von den Geschäften wissen“, seufzte er. „Auch deine Brüder nicht. Das leichte Blut …“
    An guten Tagen durfte ich auf seinem Schoß in dicke Bücher blicken, fast so geheimnisvoll, wie die Handelsschiffe, die er über den Ozean schickte. Das Rechnen hatte mir ein Schreibgehilfe beibringen müssen. Die Kniffe seiner Zunft wollte er der Nervensäge, die sein Gewand zerknitterte, selbst erklären: Wechsel, Maße, Gewichte, Geldwerte und die doppelte Buchführung schwirrten durch meinen Kopf, viel zu jung, um alles zu begreifen. Zeit, Profit, Risiko – Bartlmä verwaltete die Wirklichkeit.
    Er sprach auch von unseren Kontoren in Antwerpen, Lyon, Madrid, Nürnberg, Sevilla, Lissabon, Venedig, Rom, Santo Domingo in der neuen Welt und überall, wo gutes Geld zu verdienen war.
    Seine Stimme vibrierend vor Stolz. Wie eine Seidenraupe erschien er mir dann, deren Fäden die Erde umspannten, um auf dem Schemel, auf dem wir beide mehr schlecht als recht saßen, zusammenzulaufen. Schloss ich die Augen, sah ich den alten Mann spinnen. Netze der Macht und Netze des Wohlstandes, die auch mich, seine Lieblingsnichte, umhüllten.

Prag 1565
Nasenlöcher
    Nur zu genau erinnere ich mich an die Nase dieser Frau, die alles verändern sollte. An den Tag, der alles umwälzen sollte.
    Er roch nach Kirschblüten und den Gewändern weit gereister Menschen, die vor Aufregung schwitzten.
    Mit einer Arschparade begann er. So nannten wir dies, wenn sich mir nur Hinterteile darboten. Sie drängten in das Arbeitszimmer meines Herrn.
    Die Delegation aus Alcalá de Henares beugte sich nach vorne. Tiefer als es ihrer Hoftracht und Würde zuträglich erschien. Die schweren, schwarzen Roben ächzten. Spanier ließen nicht für Demutsgesten schneidern. Noch waren sie die Herren der Welt. Wieso diese unbequeme Pose? Die Verbeugung galt mir. Mir allein, obwohl die Besucher mich noch gar nicht sahen. Nicht sehen konnten. Auch war es keine Demut, die die Schwarzröcke verbog: Zum Zwergengaffen war man angereist. Nähte krachten, Wirbel knackten, Winde zischten.
    „Er geht in meiner Streusandbüchse spazieren“, so hatte mein Herr mich den Spaniern angekündigt.
    Bei allem Respekt, habe man sich verhört? Der Weg nach Böhmen sei weit, die Prager Burg erfüllt von Baustellenlärm. Und kein Zwerg der Welt sei so
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