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Die Wolkenbraut: Das Leben der Philippine Welser. Ein historischer Roman

Die Wolkenbraut: Das Leben der Philippine Welser. Ein historischer Roman

Titel: Die Wolkenbraut: Das Leben der Philippine Welser. Ein historischer Roman
Autoren: Jeannine Meighörner
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Anstrengung im Gesicht. Nur Verachtung, als wäre ihm eine Ratte anstatt eines Hasen in die Schlinge gegangen. Er schleuderte mich durch die Luft. Lässig. Der Nächste und der Übernächste taten das Gleiche.
    Es gab kein Oben und kein Unten mehr, hinter meinen Augen zuckten Blitze, jedes Geräusch war ausgelöscht und doch brach ein Sturm los, obwohl sich kein Lüftchen in den knospenden Baumkronen rührte.
    Sie hatten Pläsier mit ihrem komischen Fang. Als ich auf ein Gesicht zuflog, klappte ein haariges Maul auf und in dessen scharlachrotem Schlund hüpfte das Zäpfchen. Du kannst das überleben, dachte ich. Ein Thomele hat schon anderes ausgehalten.
    Dann war es lustiger, mich nicht mehr aufzufangen. Fliegen, stürzen, fliegen, stürzen. Ich schmeckte Blut.
    „Narren, ihr verderbt euch ein Geschäft“, drang es dumpf an mein Ohr. Man zögerte im Wurf.
    „Ein Zwerg ist kein Ball. Auch wird er nicht länger, wenn man daran zieht. Verkauft ihn!“ Der Stimme nach Arbogast. Schimpf mir einer auf die Protestanten.
    „Ein alter Zwerg bringt weniger als ein Stein“, sagte Zobelbarett und hielt mich vor sein Gesicht. Betont angewidert. Ich sah verkrustete Augenwinkel, roch fauligen Atem.
    „Ich wurde mit Gold aufgewogen“, blubberte ich.
    Der Mundgeruch kam stoßweise, lachend. War so einem beizubringen, dass klein sehr groß sein kann?
    Mit Verlaub, Zwerge verkauften sich gut, sofern sie Talent besäßen. Als Kaufmann käme er weit herum. Selbst Zwerge von offenkundiger Hässlichkeit. Kein Hof ohne Narr, kein Fürst ohne Taschenteufel.
    Mit jedem Wort schob Arbogast seinen Kopf weiter aus dem winzigen Stallfenster, gleich einer Schildkröte, die ihrem Panzer entfliehen will. Sein Hals züngelte immer nachdrücklicher ins Freie.
    Zobelbarett schlug ihm mit seiner linken Hand ins Gesicht. An seiner Rechten schwang ich gleich dem Pendel eines Wahrsagers. Dann zupfte er seine Kopfzier zurecht, die beim Zwergenmisshandeln in Schieflage geraten war. Nachdenklich.
    Ich erkannte meine Chance.
    Thomele: „Ich bin berühmt.“
    Zobelbarett: „Und hier ein Furz!“
    Thomele: „Parliere deutsch, böhmisch, italienisch, etwas englisch.“
    Zobelbarett: „Lass hören!“
    Thomele: „Muori, bastardo! Chcípni, ty hajzle!“
    Zobelbarett: „Was heißt das?“
    Thomele: „Ein langes Leben wünsche ich!“
    Zobelbarett: „Deines ist vorbei!“
    Thomele: „Stupid sheep breath.“
    Zobelbarett: „Und dies?“
    Thomele: „Ich kann von Nutzen sein.“
    Zobelbarett: „Ach?“
    Thomele: „Die Vogeljagd beherrsche ich, bin im Schach und beim Karteln ein Beutelabschneider.“
    Zobelbarett: „Beutelabschneiden tu ich auch.“
    Thomele: „Tanze zierlich, deklamiere Lieder, weiß Rätsel, die einen Dogen verblüfften.“
    Zobelbarett: Einen was?“
    Thomele: „Den Herrn von Venedig, der Stadt im Meer.“
    Zobelbarett: „Wir sind im Wald!“
    Thomele: „Kenne das Neueste aus Tirol, Wien, Prag, Dresden, Venedig …“
    Einmal mehr flog ich auf den Waldboden zu. Lehmiger Dreck und Buchenlaub verhinderten, dass ich zerbrach. Aus den Bruchstellen der Gewalt in meinem Kopf drangen Bilder, die ich vergessen glaubte:
    Die Terrakottazwerge von Schloss Ambras standen vor mir Spalier; Meister Colin, der berühmte Kaisergrab-Colin, hatte einen auch nach meinem Antlitz geschaffen. Mein Herr hatte getobt, dass, kaum hatte er ihren Standort bestimmt, der lustige Tischrat Frank zerbarst. Wieso sollte ausgerechnet dieses Zotenmaul den Kräutergarten bewachen? Den Ort, der Philippine heilig gewesen war? Zwischen Frauenmantel, Beifuß und Engelwurz lag ihr wahres Paradies. Der Verdacht war nie auf mich gefallen. Meine alten Sünden …
    Dafür kam Zobelbarett nun wie das Jüngste Gericht über mich. Bei der Jagd bräuchte er keinen lärmenden Köder. Auch mache Adelsgewäsch nicht satt. Immer mehr Steuern hätten sie den Bauern abgepresst. Einmal nur hätte er aufgemuckt. Nun müsse er hausen wie ein Fuchs. Einen Sohn hätte der Wald ihm genommen, seinen Ältesten hätte ich auf den Tod verletzt. Ein Baum von einem Kerl, gefällt von einem Zwerg.
    Und er wisse, wie unsereins die Tage verbrächte: mit Fressen, Saufen, Prahlen, Leute foppen. Wenn wir nicht unter den Röcken feiner Damen säßen. Für solche Missetaten trüge man uns auf seidenen Kissen herum. Was gäbe es Lustigeres, als so einem Adelszeck die Beinchen lang zu machen?
    Erneutes Gejohle einem Posaunenstoß gleich.
    „Meine tote Herrin hat mich jedes Kraut gelehrt. Für die
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