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Die Werwolfbraut (German Edition)

Die Werwolfbraut (German Edition)

Titel: Die Werwolfbraut (German Edition)
Autoren: Earl Warren
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brauche ich nicht mehr bei Tagesanbruch oder davor aufzustehen. Meine liebe Frau kann die beste ärztliche Behandlung und Pflege haben, in die Fachklinik an sie, zur Kur in die Schweiz. Sie wird wieder gesund. Francesca ist eine Aristokratin. Wir, ihre Familie, nehmen Teil an den Aufstieg. Das ist der Wendepunkt unseres Schicksals. Gott hat unsere Gebete erhört.
    Er vergaß, dass er seit vielen Jahren mehr geflucht als gebetet hatte. Jetzt würde alles gut, sagte er sich. Morgen würde die Frist vorbei sein, die Ricardo di Lampedusa Montalba gesetzt hatte, die er schweigen sollte. Francescas Vater hatte es nicht mehr ausgehalten und mit seiner Tochter gesprochen. Er hatte sie in die Weinlaube rechts am Haus gebeten, wo sie allein saßen.
    Die Sonne war untergegangen. Bleich stand der Vollmond am Himmel, eine riesige, helle Scheibe, auf der man deutlich die Konturen der Mondgebirge erkennen konnte. Der Vollmond rief vielerlei Wirkungen hervor. Unter anderem, hieß es, sollten die Werwölfe bei Vollmond ihre Wolfsgestalt annehmen und zu mörderischen Bestien werden. Sonst waren sie ganz normale Menschen, die ihren üblichen Tätigkeiten nachgingen.
    Es gab besondere Merkmale, an denen man einen Werwolf erkennen konnte. Das arme Kalabrien war reich an Aberglauben. Michele Montalba hatte keinen Sinn dafür. An ihm prallte dieses Geschwätz ab. Wer so schuftete wie er, dass ihm das Blut unter den Fingernägeln hervorkam, fiel abends todmüde in sein Bett und war froh, ein paar Stunden Schlaf und Vergessen zu finden. Montalba war zudem auch noch ein ziemlich sturer, fantasieloser Mann.
    Er sah nur das Glück, das seine Tochter machen konnte, und den Aufstieg für seine Familie.
    »Morgen«, sagte er, »kommt der Marchese hierher. Ich erwarte, dass du dich schönmachst und ihm ein Mahl vorsetzt, wie er es sich besser nicht wünschen kann.«
    »Wann soll ich mich schön machen? Nachdem ich zwölf Stunden auf dem Feld gearbeitet und die Klavierstunde für den Sohn des Bürgermeisters gegeben habe?«
    »Du arbeitest nur bis zwölf Uhr. Die Klavierstunde verschiebst du, oder der Bengel des Bürgermeisters soll allein die Tasten quälen.«
    »Wovon soll ich das Mahl bereiten? Mit Wasser, Trockenbrot und Kartoffeln und ein paar Oliven? Der Metzger gibt uns kein Fleisch mehr, wenn wir nicht wenigstens einen Teil von dem abbezahlen, was wir ihm schuldig sind. Oder willst du ein Huhn oder die Ziege schlachten?«
    Michele Montalba sagte: »Wir schlachten ein Huhn. Ich besorge zudem noch Käse und Wein für den Nachtisch.«
    Francesca war hin und her gerissen von ihren Gefühlen. In der Stube hörte sie ihre Mutter röchelnd atmen und stöhnen. Sie dachte an Ricardos gutgeschnittenes, aber für ihren Geschmack allzu ernstes Gesicht. An die dunklen Brauen, die über seiner Römernase zusammenwuchsen. Und an die schlanken, aristokratischen Hände mit dem gleichlangen Mittel- und Zeigefinger, deren Gelenke so stark waren wie die der Degenfechter früherer Zeiten.
    »Werwölfe, heißt es, können in den Vollmondtagen und -nächten keine menschliche Nahrung zu sich nehmen«, sagte sie. »Nicht einmal Wasser.«
    Es war immer noch heiß nach dem langen Tag. Aus dem nahen Dorf hörte man Stimmen von der Taverne, wo die Männer im Freien saßen oder auf dem Marktplatz Boccia spielten.
    »Das Huhn wird geschlachtet«, sagte Michele Montalba, als ob er Francescas Worte nicht gehört hätte. »Ich hole Käse und Wein. Du heiratest Ricardo di Lampedusa. Das bist du mir und deiner Familie schuldig.« Prüfend schaute er seine Tochter an. Ein wenig Diplomatie hatte er doch. »Der Marchese ist ein gutaussehender, stattlicher Mann. Gefällt er dir gar nicht?«
    Die Röte, die sich von Francescas schmalen Ausschnitt im hellen Leinenkleid über Hals und Gesicht hinzog, sagte alles. Michele Montalba atmete ein wenig auf. Francesca eilte zu ihrer Mutter ans Krankenlager, als sie sah, dass die für sie ebenso wichtige wie peinliche Unterredung mit ihrem strengen Vater beendet war.
     
    *
    Das 800-Seelen-Dorf San Clemente lag in der Nähe des 15.000-Einwohner-Städtchens Caulonia am Osthang der Kalabrischen Apenninen, nördlich vom Serra San Bruno, dreißig Kilometer Luftlinie vom Meer entfernt. Leger gesagt vorn an der Sohle vom Italienischen Stiefel. Die Gegend war karg steinig. Die Einwohner ernährten sich von der Landwirtschaft. Industrie gab es kaum, Fremdenverkehr auch nicht. Ob dieses Gebiet jemals aufblühen würde, war ungewiss.
    Das Castello di
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