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Die Weiße Rose

Die Weiße Rose

Titel: Die Weiße Rose
Autoren: Inge Scholl
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Eindruck der furchtbaren Verwüstungen, die der äußere Feind und Kriegsgegner in dieser Woche uns zugefügt hat. Da hat gestern zum Schlusse dieser Woche, am 12 . Juli, die Geheime Staatspolizei die beiden Niederlassungen der Gesellschaft Jesu in unserer Stadt beschlagnahmt, die Bewohner aus ihrem Eigentum vertrieben, die Patres und Brüder genötigt, unverzüglich, noch am gestrigen Tage, nicht nur ihre Häuser, sondern auch die Provinz Westfalen und die Rheinprovinz zu verlassen. Und das gleiche harte Los hat man ebenfalls gestern den Schwestern bereitet. Die Ordenshäuser und Besitzungen samt Inventar wurden zugunsten der Gauleitung Westfalen-Nord enteignet.
    So ist also der Klostersturm, der schon länger in der Ostmark, in Süddeutschland, in den neuerworbenen Gebieten, Warthegau, Luxemburg, Lothringen und anderen Reichsteilen wütete, auch hier in Westfalen ausgebrochen.
    Wie soll das enden? Es handelt sich nicht etwa darum, für obdachlose Bewohner von Münster eine vorübergehende Unterkunft zu schaffen. Die Ordensleute waren bereit und entschlossen, ihre Wohnungen für solche Zwecke aufs äußerste einzuschränken, um gleich anderen Obdachlose aufzunehmen und zu verpflegen. Nein, darum handelte es sich nicht. Im Immakulatakloster in Wikinghege richtet sich, wie ich höre, die Gaufilmstelle ein. Man sagt mir, in der Benediktinerabtei St. Josef werde ein Entbindungsheim für uneheliche Mütter eingerichtet. Und keine Zeitung hat bisher berichtet von den freilich gefahrlosen Siegen, die in diesen Tagen die Beamten der Gestapo über wehrlose Ordensmänner und schutzlose deutsche Frauen errungen haben, und von den Eroberungen, die die Gauleitung in der Heimat am Eigentum deutscher Volksgenossen gemacht hat. Vergebens sind alle mündlichen und telegraphischen Proteste!
    Gegen den Feind im Innern, der uns peinigt und schlägt, können wir nicht mit Waffen kämpfen. Da bleibt nur ein Kampfmittel: starkes, zähes, hartes Durchhalten! Hart werden! Fest bleiben! Wir sehen und erfahren jetzt deutlich, was hinter den neuen Lehren steht, die man uns seit einigen Jahren aufdrängt, denen zuliebe man die Religion aus der Schule verbannt, unsere Vereine unterdrückt hat, jetzt die Kindergärten zerstören will: abgrundtiefer Haß gegen das Christentum, das man ausrotten möchte.
    Wir sind in diesem Augenblick nicht Hammer, sondern Amboß. Andere, meist Fremde und Abtrünnige, hämmern auf uns, wollen mit Gewaltanwendung unser Volk, und selbst unsere Jugend neu formen, aus der geraden Haltung zu Gott verbiegen. Was jetzt geschmiedet wird, das sind die ungerecht Eingekerkerten, die schuldlos Ausgewiesenen und Verbannten. Gott wird ihnen beistehen, daß sie Form und Haltung christlicher Festigkeit nicht verlieren, wenn der Hammer der Verfolgung sie bitter trifft und ihnen ungerechte Wunden schlägt.«
    »Seit einigen Monaten hören wir Berichte, daß aus Heil- und Pflegeanstalten für Geisteskranke auf Anordnung von Berlin Pfleglinge, die schon länger krank sind und vielleicht unheilbar erscheinen, zwangsweise abgeführt werden. Regelmäßig erhalten dann die Angehörigen nach kurzer Zeit die Mitteilung, der Kranke sei verstorben, die Leiche sei verbrannt, die Asche könne abgeholt werden. Allgemein herrscht der an Sicherheit grenzende Verdacht, daß diese zahlreichen, unerwarteten Todesfälle von Geisteskranken nicht von selbst eintreten, sondern absichtlich herbeigeführt werden, daß man dabei jener Lehre folgt, die behauptet, man dürfe sogenanntes ›lebensunwertes Leben‹ vernichten, also unschuldige Menschen töten, wenn man meint, es sei für Volk und Staat nichts mehr wert. Eine furchtbare Lehre, die die Ermordung Unschuldiger rechtfertigen will, die die gewaltsame Tötung der nicht mehr arbeitsfähigen Invaliden, Krüppel, unheilbar Kranken, Altersschwachen grundsätzlich freigibt!«
    Hans ist tief erregt, nachdem er diese Blätter gelesen hat. »Endlich hat einer den Mut, zu sprechen.« Eine Zeitlang betrachtet er nachdenklich die Drucksachen und sagt schließlich: »Man sollte einen Vervielfältigungsapparat haben.«
     
    Trotz allem – Hans hatte eine Lebensfreude, die nicht so schnell auszulöschen war. Ja, je dunkler die Welt um ihn wurde, um so heller und stärker entfaltete sich diese Kraft in ihm. Und sie hatte sich sehr vertieft nach dem Erlebnis des Krieges in Frankreich. In so großer Nähe zum Tode hatte das Leben einen besonderen Glanz bekommen.
    Hans hatte in jener Zeit ein ungewöhnliches
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