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Die Weiße Ordnung

Titel: Die Weiße Ordnung
Autoren: L. E. Modesitt
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Tante. Er betrachtete eine andere Halde, die weiter im Osten lag. In einem der Haufen hatte er einen Spiegel gefunden, was bargen wohl die anderen?
    »Trödel nicht, Kind.«
    Cerryl folgte Nall auf die Veranda, wo sie den Besen wieder in die Hand nahm. Sie fuchtelte damit herum, als wollte sie ihn ins Haus fegen. Cerryl ging hinein. Ganz hinten im Hauptraum des Hauses, das insgesamt nur über zwei Zimmer verfügte, stand der Herd und rechts daneben ein Arbeitstisch, vor dem Herd befand sich ein schmaler Schragentisch mit zwei kurzen Bänken und dahinter an der Wand die alte Vitrine aus Goldeiche mit den kaputten Schubladen.
    »Nicht einen Funken Verstand … stöbert dort herum, wo alle ihn sehen können …«, schimpfte die Frau vor sich hin und schloss die Tür hinter dem Jungen. »Deine arme Mutter, kein Wunder, dass sie so jung gestorben ist. Kein Funken Verstand in dir und deinem Nichtsnutz von Vater. Ein Weißer Magier wollte er werden.« Traurig schüttelte Nall den Kopf. »Armer Narr … dachte, dass die mächtigen Magier in Fairhaven ihn mit offenen Armen empfangen würden. Ihn … einen Bauernjungen aus Howlett …«
    Cerryl senkte den Blick auf den makellos sauberen Steinfußboden.
    »Wie hast du das Glas gefunden?«
    »Ich habe das Licht gesehen, das der Spiegel auf den Werkzeugschuppen warf. Ich musste nur hinsehen. Einfach hinsehen.«
    »Ja, deshalb hat dich deine Tante auch erwischt, bevor du noch mehr anstellen konntest.«
    Cerryl schwieg.
    »Männer … die kleinen wie die großen. Syodor … sogar er …« Nall hielt mitten im Satz inne und sah Cerryl an. »Schimpfen hat ohnehin keinen Zweck. Was geschehen ist, ist geschehen.« Sie zeigte auf den Hocker am Küchentisch. »Hilf mir wenigstens bei der Küchenarbeit. Mit den Wurzeln gehst du ja achtsam um.«
    Cerryl kletterte auf den Hocker und betrachtete die schmutzigen Goldrüben. Seine Augen wanderten zu den offenen Läden des einzigen Fensters und zu den anderen Halden draußen und wieder zurück zu den Rüben.

 
II
     
    A lles Leben setzt sich aus Chaos und Ordnung zusammen. So mancher vergisst, dass es ohne Chaos kein Leben gibt. Tief in der Erde dauert das Chaos fort, spendet dem Grund unter Land und Meer Wärme und Leben.
    Selbst das Licht der Sonne ist nichts anderes als Weißes Chaos und auch dieses Licht schenkt Leben. Im Sonnenlicht vereinen sich sämtliche Farben der Weiße, das pure Chaos, aus dem alles Leben entspringt …
    Wir können die Sonne nur erblicken, weil sie das notwendige Licht dazu spendet; alles, was unter der Sonne existiert, kann nur aufgrund des Chaos der Sonne existieren. Selbst der weiseste Magier kann nicht das Geringste auf und unter der Erde wahrnehmen, wenn er dazu nicht das Chaos einsetzt.
    Die Behauptung, dass Ordnung das Leben nährt, die von einigen Akolythen schon zu Zeiten des ketzerischen Nylan aufgestellt wurde, ist nicht nur falsch, sondern geradezu eine Torheit, denn die einzige vollkommene Ordnung im Leben ist der Tod.
    Selbst Klinge und Schild müssen mithilfe der Wärme des Chaos geschmiedet und von einem Menschen geführt werden, dessen Blut in den Adern erst durch Chaos warm wird.
    Chaos ist das Fundament für Macht und Stärke. Die Beherrschung des Chaos ist der erste Schritt zur Macht. Die Macht stellt das Fundament für alle wohlhabenden Länder und Städte dar; und jene, die ihre Heimat vor Invasion und Verwüstung bewahren wollen, müssen nach der Beherrschung des Chaos streben …
    D IE F ARBEN DER W EISSE
    (Handbuch der Gilde von Fairhaven)
    Vorwort

 
III
     
    I n der Ecke, in der das Herdfeuer Licht auf den Boden warf, saß Cerryl und betrachtete das Buch. Angestrengt brütete er über den unverständlichen schwarzen Zeichen auf den alten, vergilbten Seiten. Er blätterte um. Die Zeichen auf der nächsten Seite sahen genauso aus.
    »Cerryl?« Nall legte die Brötchen in die verbeulte Backreine, die auf dem Tisch stand.
    »Ja, Tante?« Cerryl drehte sich nicht um, er fürchtete, sie könnte das Buch und seine Tränen der Enttäuschung entdecken.
    »Dein Onkel wird bald den Weg heraufkommen. Hol einen Eimer Wasser herein.«
    »Ja, Tante Nall.« Er versteckte den alten Wälzer unter seiner zerlumpten Tunika und versuchte, die Fassung wiederzuerlangen, bevor er aufstand und sich ihr zuwandte.
    »Ein fröhliches Gesicht könnte auch nicht schaden. Syodor hat es nicht leicht in letzter Zeit«, fügte sie hinzu. »Besonders nachdem er dieses verfluchte Stück Weißbronze gefunden hat …« Die
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