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Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert

Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert

Titel: Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert
Autoren: Joël Dicker
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Trockenhaube auf dem Kopf die Zeitschrift, die sie gerade liest, unter die Nase. Darin ist ein Foto von dir und dieser Lydia Gloor. Es zeigt euch zusammen auf der Straße, und in der Überschrift steht, dass ihr euch getrennt habt. Der ganze Friseursalon wusste über eure Trennung Bescheid, und ich, ich wusste nicht einmal, dass du was mit diesem Mädchen hattest! Natürlich wollte ich nicht als die Dumme dastehen, und deshalb habe ich gesagt, dass die Kleine bezaubernd ist und oft zum Abendessen bei uns war.«
    »Mama, ich habe dir nichts davon erzählt, weil es nichts Ernstes war. Sie war nicht die Richtige, weißt du.«
    »Es ist nie die Richtige! Du lässt dich immer mit den falschen Frauen ein, Markie! Das ist das Problem. Oder glaubst du, eine Fernsehschauspielerin könnte dir den Haushalt führen? Stell dir vor, gestern habe ich im Supermarkt Mrs Emerson getroffen. Ihre Tochter ist auch noch ledig. Sie wäre perfekt für dich. Außerdem hat sie sehr schöne Zähne. Soll ich ihr sagen, dass sie uns mal besuchen soll?«
    »Nein, Mama. Ich versuche zu arbeiten.«
    In diesem Augenblick klingelte es an der Tür.
    »Ich glaube, das sind sie«, sagte meine Mutter.
    »Wer sind sie ?«
    »Mrs Emerson und ihre Tochter. Ich habe sie für sechzehn Uhr zum Tee eingeladen, und jetzt ist es Punkt sechzehn Uhr. Eine gute Frau ist eine pünktliche Frau. Liebst du sie nicht jetzt schon?«
    »Du hast sie zum Tee eingeladen? Wirf sie raus, Mama! Ich will sie nicht sehen! Ich muss ein Buch schreiben, verdammt! Ich bin nicht hier, um Kaffeekränzchen abzuhalten, ich muss einen Roman schreiben!«
    »Oh, Markie, du bräuchtest wirklich eine Freundin, ein Mädchen, mit dem du dich verlobst und das du heiratest. Du denkst viel zu viel an deine Bücher und vergisst darüber das Heiraten …«
    Niemand begriff, was auf dem Spiel stand: Ein neues Buch musste her, und sei es nur, um die Klauseln des Vertrags zu erfüllen, der mich an den Verlag band. Im Januar 2008 bestellte mich Roy Barnaski, der allmächtige Direktor von Schmid & Hanson, in sein Büro im einundfünfzigsten Stock eines Hochhauses in der Lexington Avenue, um mir ernsthaft ins Gewissen zu reden: »Also, Goldman, wann kriege ich Ihr neues Manuskript?«, polterte er. »Wir haben einen Vertrag über fünf Bücher. Sie müssen sich an die Arbeit machen, und zwar dalli! Wir wollen Ergebnisse sehen! Wir müssen Umsatz machen! Sie sind mit der Abgabe in Verzug! Sie sind mit allem im Verzug! Sie haben ja gesehen, wie dieser Bursche, der vor Weihnachten sein Buch rausgebracht hat, Sie in der Gunst des Publikums verdrängt hat! Sein Agent sagt, dass sein nächster Roman schon fast fertig ist. Und Sie? Durch Sie verlieren wir nur Geld! Also, reißen Sie sich am Riemen, und bringen Sie die Sache in Ordnung. Landen Sie einen großen Coup, schreiben Sie mir ein gutes Buch, und retten Sie Ihre Haut. Ich gebe Ihnen sechs Monate. Bis Juni.«
    Sechs Monate, um ein Buch zu schreiben! Dabei war ich seit fast anderthalb Jahren blockiert. Aussichtslos. Aber es kam noch schlimmer: Barnaski hatte mir zwar eine Frist gesetzt, mich aber nicht über die Konsequenzen aufgeklärt, die ich würde tragen müssen, wenn ich es nicht schaffte. Das übernahm Douglas zwei Wochen später bei seiner x-ten Unterredung mit mir. Er sagte: »Du musst das Buch schreiben, Junge, du kannst dich nicht länger verkriechen. Du hast für fünf Bücher unterschrieben! Fünf Bücher! Barnaski ist stinksauer und mit seiner Geduld am Ende. Er hat mir erzählt, dass er dir eine Gnadenfrist bis Juni gesetzt hat. Ist dir klar, was passiert, wenn du es verbockst? Sie lösen deinen Vertrag auf, verklagen dich und saugen dich bis aufs Mark aus. Sie nehmen dir deine ganze Kohle weg, und dann ist Schluss mit dem schönen Leben, dem schicken Apartment, den italienischen Slippern und dem dicken Auto: Dann hast du nichts mehr. Sie werden dich bluten lassen.«
    Noch vor einem Jahr war ich als neuer Stern am Literaturhimmel gefeiert worden, und nun galt ich als größte Enttäuschung, als schlimmster Bummelant der nordamerikanischen Verlagsszene. Lektion zwei: Ruhm ist nicht nur vergänglich, sondern hat auch Konsequenzen. Am Abend nach Douglas’ Standpauke griff ich zum Telefon und wählte die Nummer des einzigen Menschen, von dem ich annahm, dass er mir aus dieser Notlage heraushelfen konnte: Harry Quebert, mein ehemaliger Professor und zudem einer der meistgelesenen und angesehensten Autoren Amerikas, mit dem ich seit gut zehn Jahren,
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